: Spannende Garagenhäschen
■ Misstrauen dem Hype: The White Stripes im Logo
Neulich, beim Konzert von Ryan Adams in der Großen Freiheit, konnte man den Fall einer falschen Hoffnung erleben. Adams, der als „Goldjunge“ vorschnell zum Retter einer an falschen Hoffnungen nicht gerade armen Musikindustrie ausgerufen wurde, musste noch nicht mal viel verkehrt machen, um dem Publikum alle Hoffnung zu rauben. Der immens hohe Erwartungsdruck entlud sich in einer unkoordinierten und pubertären Performance. Das reichte, um bei vielen die Seifenblase zum Platzen zu bringen. Ähnliches steht bei der gerade laufenden Strokes-Tour zu befürchten. Wer derzeit einen Hype auslöst, muss sich fühlen wie ein kaputter Cola-Automat in der Wüs-te.
Die White Stripes scheinen da schlauer zu sein. Zwar zählten auch sie mit ihrem frisch aufgetragenen Garage- und Folk-Blues zu den Gewinnern des letzten Jahres, doch haben Meg und Jack White ihre Zweifel bewahrt. Auf dem Cover ihres dritten Albums White Blood Cells steht das Geschwisterpaar aus Detroit skeptisch mit dem Rücken zur Wand. Um sie herum schwarze Schattenmenschen, die gierig ihre Hände nach ihnen ausstrecken. Werden die beiden den Häschern noch entkommen? Ihre bisherigen drei Alben erschienen bei der renommierten amerikanischen Independent-Firma Sympathy For The Record Industry. Deren Schlachtruf lautet „Both kinds of music: Rock & Roll“. Da die White Stripes es zweifarbig lieben, ist zu hoffen, dass sie die Ironie des Label-Namens noch lange verstehen.
Zumindest auf der Bühne bahnt sich der Fluchttrieb noch munter seinen Weg. Während Sister Meg ihr Schlagwerk verrichtet, hastet Bruder Jack mit seiner Gitarre von einem Mikro zum anderen, von der rechten Bühnenecke in die linke. Das sieht keineswegs albern aus, sondern erinnert höchstens an das alte Hase-und-Igel-Spiel, wobei Meg klar die glücklichere Position innehat.
Es ist lange her, dass zwei Musiker mit derart reduzierten Mitteln so eine Spannung erzeugen konnten. Nicht nur, dass Jacks Stimme fast sämtliche Idiome der US-amerikanischen Poptradition beherrscht (auch wenn sie zunächst eher an die Robert Plants erinnert). Es ist die Aufrichtigkeit seines Vortrags, der einen auf die Texte achten lässt. Der Mann erzählt, indem er singt. Und singt, indem er erzählt. Und man glaubt ihm. Selbst seine Schwester glaubt ihm: Righteous, Brother! Nicht weil sie hofft, dass er es wirklich ehrlich meint, sondern weil sie weiß, dass es so ist. Genau das unterscheidet die beiden von jemandem wie Ryan Adams.
Die White Stripes sind eine Band, für deren Integrität man seine Großmutter verwetten würde. „I'm so tired of acting tough / I'm gonna do what I please / Let's get married“, singen sie – man möchte schreien: Ja! Michael Hess
Sonntag, 21 Uhr, Logo
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