Spam-Anwendungen fürs iPhone verboten: App Store ohne nackte Brüste
Monatelang konnte ein Programmierer Spam-Programme fürs iPhone teuer verkaufen. Bei leicht sexuellen Anwendungen und Markenrechtsverletzungen reagiert Apple dagegen sofort.
Wenn man dem pakistanischen Unternehmer Khalid S. eines nicht vorwerfen kann, dann ist es Faulheit: In den vergangenen neun Monaten stellte er zusammen mit einem knapp 30 Personen starken Programmierteam über 900 Anwendungen für das Apple-Handy iPhone fertig, um sie dann über dessen eingebauten Software-Laden "App Store" der Menschheit anzudienen - zu Preisen von mehreren Dollar pro Stück. Einige Tausend am Tag soll S. so umgesetzt haben.
Ende Juli war Schluss. Apple entzog dem Firmenchef die Entwicklerlizenz und löschte alle seine Programme aus dem iPhone-Software-Schaufenster. Der Grund: S. verkaufte so genannte Spam-Anwendungen, Programme, die nur geringen Wert für den Käufer hatten. Die große Mehrheit der Produkte lieferte zusammengetragene Inhalte aus dem Internet, darunter Fotos und Texte, für die der pakistanische Unternehmer keine Genehmigung hatte. Ein Programm enthielt laut einem Bericht des Fach-Weblogs "Mobile Crunch" ganze fünf Fotos eines US-Reality-Serien-Stars und wurde dann ohne Einwilligung des Fotografen oder der abgebildeten Dame für 5 Dollar pro Stück verkauft.
S. ist nicht der einzige Spam-Anwendungs-Programmierer, der sich im Software-Laden für Apples "Wunderhandy" tummelt. 65.000 einzelne Anwendungen werden dort inzwischen kostenlos oder (zunehmend) gegen Bezahlung angeboten, mehrere Milliarden wurden bereits herunter geladen. Dabei bleiben schwarze Schafe nicht aus, zumal das Angebot für Nutzer inzwischen äußerst unübersichtlich geworden ist. Nutzerkritiken, die Apple unter jede Anwendung platziert, sind nur bedingt hilfreich; wer wissen möchte, welche iPhone-Programme wirklich gut sind, muss Fachmedien im Internet lesen.
Trotzdem ist es erstaunlich, dass S. so lange unbehelligt programmieren und verkaufen konnte. In anderen Bereichen kontrolliert Apple die "Apps", die es in seinen iPhone-Laden lässt, nämlich erstaunlich stringent. So werden etwa grundsätzlich keine in Deutschland als "ab 16" bekannte Programme mit leicht sexuellen Inhalten zugelassen und auch Anwendungen, die Apples Markenrechte tangieren könnten (z.B. mit einem iPhone-Logo), haben einen schweren Stand. Pornos wären im App Store völlig undenkbar.
Eine elektronische Bibliothek, in die das Jahrtausende alte historische Liebeshandbuch Kama Sutra herunterladbar war, wurde erst nach massiven Protesten in den Software-Shop gelassen. Programme, die einen Web-Browser enthalten, über den auf das gesamte Internet zugegriffen werden kann (und damit auch auf "unangemessene" Inhalte), erhalten von Apple stets die Jugendschutznote "ab 17".
Zuletzt bestand Apple gar darauf, dass ein Wörterbuch zensiert wurde, wie der Internet-Experte John Gruber in seinem Blog schreibt. "Ninjawords", eine Software, die das Wikipedia-Schwesterprojekt "Wictionary" als Datenbasis nutzt, musste die englischen Versionen von Wörtern wie "Arsch", "Schwanz" oder "Muschi" streichen, um überhaupt ein Rating zu bekommen. "Arsch und Schwanz kommen sogar in der King-James-Bibel vor", kommentiert Gruber. Apple gehe härter vor als die in den USA für ihre stramm konservativ-christliche Zensurpolitik bekannte Supermarktkette Walmart. "Dort werden keine Wörterbücher eingeschränkt."
Warum Apple derart restriktiv vorgeht, darüber hat sich der Konzern bislang noch nicht öffentlich geäußert. Im Internet nehmen jedenfalls die Forderungen zu, dass er mehr Ressourcen in die Bekämpfung von Spam-Anwendungen wie die von S. steckt, anstatt sich zur moralischen Instanz aufzuschwingen. (Stichhaltig ist diese Politik sowieso nicht - so gehören "unmoralische" virtuelle Furzkissen zu einer der populärsten Anwendungskategorien im App Store). Kritiker Gruber bringt das alles auf einen einfachen Punkt: "Apple verlangt, dass man 17 Jahre oder älter ist, um ein zensiertes Wörterbuch zu kaufen, das die Hälfte der Wörter weglässt, die Steve Jobs jeden Tag benutzt." Tatsächlich ist der Apple-Chef für die ein oder andere Schimpftirade durchaus bekannt.
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