: Soziologie des Schenkens
Schäume, Träume, Fett ist nicht gleich Fett: In Mitte hat ein neuer Seifenladen eröffnet
In Prenzlauer Berg zu wohnen und samstags auf dem Kollwitzmarkt einkaufen zu gehen, das gibt einem so ein seltsames Gefühl von Sicherheit. Hier kann man Biobürsten kaufen und Biobananen und indische Armreifen aus buntem Glas. All diese kleinen Dinge, die märchenhaft echt sind, handgemacht und frei von Schadstoffen. Dinge, die zu einem früheren Standard zurückgefunden und sich selbst überlebt haben. Sie sind fast so etwas wie second order Statussymbole geworden.
Wenn allerdings Xenia Trost die Vorteile ihrer Seifen aufzählen soll, lacht sie: „Die Frage ist doch: Was kann eine Seife überhaupt leisten?“
Seit vier Jahren experimentiert die Buchbindemeisterin, kocht und verkauft. Cremig gelbe Seifen, rote, türkise und braune, sternförmige, runde, tortenförmige, Seifen in Form der Venus von Willendorf. Zimtseifen, Büffelmilchseifen, Mittelmeerkräuterseifen, Sonnenenergieseifen und Kaffeeseifen. Sinnliche Märchen, die weit über den Erfahrungshorizont von Seife hinaus reichen, aber auch sauber alle Basics spielen, die man von einer Seife verlangt.
Xenia Trost, die bislang am Kollwitzplatz und am Weihnachtsmarkt verkauft hat, hat nun in einem Souterrain in der Sophienstraße ihr Atelier „1000 und eine Seife“ eröffnet. Als Logo für ihren Laden hat sie sich einen Olivenzweig ausgesucht.
Denn Xenia Trost verwendet ausschließlich pflanzliche Öle und Fette, im Gegensatz zu Industrieseifen, die vorwiegend aus Rinderfett erzeugt werden, was auf der Verpackung nur unter seinem lateinischen Namen Sodium Tallowate auftaucht. Ob BSE über Seife durch die Haut übertragen werden kann, ist zwar nicht bewiesen, aber eben auch nicht ausgeschlossen. Laut Ökotest beinhalten außerdem drei Viertel aller industriell gefertigten Seifen bedenkliche Stoffe: Duftstoffe, die sich in der Muttermilch und im Fettgewebe anreichern, Allergieauslöser, Emulgatoren, die in die Haut Schadstoffe einschleusen, verbotene optische Aufheller und Azo-Farben, die ein Blut- und Nervengift enthalten. Xenia Trost verarbeitet selbstredend nur natürliche Duft- und Farbstoffe.
Nach Bedarf wirken die einzelnen Seifensorten gegen trockene, schuppige oder gerötete Haut. Die eine vertreibt Insekten, die andere unangenehme Küchengerüche. Eine Seife mildert Fältchen, die nächste Akne, die dritte die Kälte. „1000 und eine Seife“ versteht sich aber auch mehr als ein Märchenland, denn eine Homöopathenpraxis und die Hitliste der verkauften Seifen ist kein Dokument menschlicher Hautprobleme. Eher eine Soziologie des Schenkens. Die Nummer Eins im Sortiment heißt nämlich: Foodseifen. Seifen mit Gemüsearomen, Basilikum oder Kaffee. „Wer zu einem Abendessen eingeladen ist, will die passende Seife mitnehmen“, erklärt Xenia Trost. Ihre persönliche Lieblingsseife ist die Honigmohnseife. „Da ist einfach alles zusammengemischt, was man mit süß und sinnlich assoziiert.“
JULIA ENGELMAYER
1000 & 1 Seife, Sophienstraße 28/29, 10178 Berlin-Mitte
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