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Sozialismus meets Avantgarde

Städtepartnerschaft und Kulturaustausch funktionieren: Im Moment sind zwölf KünstlerInnen aus Riga zu Besuch in Bremen, die ihre Zigaretten und Hemden in der Städtischen Galerie und im Kito zeigen – unpolitischer und persönlicher als beim ersten Besuch vor 13 Jahren

Ein bisschen Strom, und schon fuchteln die Hemdsärmel los. 15 ordentlich gebügelte Hemden am Haken und im Kreis gehängt. In Riga hätten diese „15 Schwestern“ noch Nelken im Knopfloch gehabt. Sozialistische Tradition meets Lettlands Avantgarde. Aber in der Städtischen Galerie lässt Andris Breže solche Assoziationen lieber weg.

Schließlich fällt im Westen nicht mal beim Titel „15 Schwestern“ der Groschen. Leere Gesichter, große Augen, deutsche Journalisten, die etwas irritiert zwischen Breže und seinen Hemden hin und hergucken. „Die 15 damaligen Sowjetrepubliken“, klärt Breze auf. Die hat er hier steif gebügelt präsentiert und lässt sie winken – zum Abschied nämlich.

„Nichts persönliches“, heißt dieser kulturelle Rundumschlag lettischer KünstlerInnen, die ab dem Wochenende in der Städtischen Galerie und im Kito Vegesack ausstellen. Und natürlich stecken in der Schau haufenweise persönliche Mitteilungen, auf Leinwand gebannt, in aufwendigen Installationen vesteckt. Politik hat die „Lettische Avantgarde“ heute kaum noch im Sinn. Sondern mehr Video, mehr Multimedia, mehr Popposter.

Vor 13 Jahren war das ganz anders. Damals, 1989, war die alte Avantgarde zu Gast in Bremen. Just in dem Moment als ihr Land im politischen Umbruch steckte, für Unabhängigkeit kämpfte, stellten sie in der Städtischen Galerie aus. „Ernst und fast schon besessen“ seien die Künstler damals gewesen, erinnert der Direktor der Städtischen Galerie Hans-Joachim Manske: Politisch. Patriotisch. Für die Bremer sei das damals irgendwie erschreckend und faszinierend zugleich gewesen.

13 Jahre später sind sie zurückgekommen. Die alten, die sich in Lettland längst etabliert haben. Und ihre Schüler, deren Kunst „den Anschluss an den Westen“ sucht und schafft, erklärt Rose Pfister, Kunstreferentin der Stadt. Die im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Riga diesen Kulturausstausch mitorganisiert. Und Kunst und Künstler zwischen den Hansestädten hin und herschickt.

Lettische Avantgarde das sind neben den weißen Hemden auch die ebenso weißen Christus-Figuren von Sarmite Malina. Unwillkürlich fängt man wieder an zu zählen. Aber es sind nicht 15, sondern 19 Figuren und mittemang ein Pinnochio, die da am Rand stehen und runterzufallen drohen.

Nein, christlich-religiös sei das nicht gemeint, meint der Star unter Lettlands Künsterinnen. Aber irgendwas hätte sie ja mit nach Bremen nehmen müssen. Und als der Zeitpunkt immer näher rückte und Malina sich immer hilfloser in ihrem Zimmer auf und abschaute, fiel der Blick irgendwann auf den kleinen Gips-Christus auf dem Regal – die Rettung.

Ihrem Kollegen Kristaps Gelzis ging es nicht anders. Entwaffnend ehrlich erzählt auch er, wie er zu seiner Kunst kam. Ganz banal: Ein zweimonatiges Stipendium in den Staaten, „where I had no problems – and no ideas“. Genossen hat er, aber nichts geschaffen. Zwei Tage vor Ende filmte er dann doch noch was: Wie sich in 15 Minuten seine Zigarette im Aschenbecher alleine aufraucht. Die Asche, gaaaaanz langsam immer länger wird, sie irgendwann den kleinen Schriftzug „Marlboro“ auffrisst bis am Ende – endlich – der Filter runterfällt. „A cigarette has its own time“, sagt Gelzis bedächtig. Eben. pipe

Die Ausstellung „Nichts persönliches“ wird diesen Samstag (19 Uhr) in der Städtischen Galerie eröffnet. Einen Tag später (11 Uhr) ist die Vernissage „Kunst in Riga“ im Kito in Bremen-Vegesack.

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