■ Sozialfälle als kontolose Parias: Das Recht auf ein Konto
Sie wollen ein Girokonto einrichten und blitzen bei allen Banken ab. Betreten und gedemütigt schleichen Sie davon. Künftig müssen Sie für jede Überweisung zu einem Geldinstitut rennen und die teure Bareinzahlung wählen. Peinlich, wenn Sie im Personalbüro angeben müssen, daß Sie leider kein Konto haben und darum bitten müssen, den Lohn per Scheck ausbezahlt zu bekommen. Den lösen Sie dann auf der Bank ein, gegen eine saftige Gebühr, versteht sich. Wenn Ihnen jemand Geld überweisen will, müssen Sie Bekannte fragen, ob Sie deren Bankverbindung angeben können.
Kein Konto zu besitzen, ist nicht nur höchst unpraktisch, sondern auch ein erheblicher Makel. Schätzungsweise 12.000 Berliner Sozialhilfeempfängern wird wegen einer negativen Schufa-Auskunft die Einrichtung eines Kontos verweigert. Wer einmal überschuldet war, wird zum kontolosen Paria. Mit der Absicht der Senatsverwaltung für Soziales, die Sozialhilfe künftig aufs Konto zu überweisen, um jährlich mindestens 2,4 Millionen Mark an Barauszahlungsgebühren zu sparen, steigt nun der Druck auf die Geldinstitute. Die Argumente, mit denen sie die Einrichtung von Konten für Sozialhilfeempfänger abwehren, sind fadenscheinig. Sie pauschal als finanzielle Risikokandidaten einzustufen, ist eine nicht hinzunehmende Stigmatisierung. Wer mit Großinvestoren Risiken in Millionenhöhe eingeht, wird wohl ein paar Sozialfälle verkraften können. Doch nicht einmal ein Konto ohne Überziehungskredit wird ihnen zugestanden, weil angeblich der Kontrollaufwand zu hoch ist. Nun soll im Computerzeitalter niemand behaupten, dies sei ein unlösbares Problem. Man müßte nur wollen. Der Senat muß die Institute und vor allem die Landesbank in die Pflicht nehmen. Und wenn sie ihrer sozialen Verantwortung nicht freiwillig nachkommen, muß das Recht auf ein Girokonto eben per Bundesratsintitiative verwirklicht werden. Dorothee Winden
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