Soziales Netzwerk aus Pakistan: Das muslimische Anti-Facebook

Nach dem Wirbel um einen Prophet-Mohammed-Zeichenwettbewerb auf Facebook haben pakistanische IT-Entwickler einfach eine lokale Konkurrenzseite gegründet - im selben Layout.

Beinahe wie das Original - nur ohne Blasphemie: das soziale Netzwerk Millatfacebook aus Pakistan. Bild: screenshot / www.millatfacebook.com

Es sieht nahezu aus wie Facebook und soll in wenigen Wochen fast den gleichen Funktionsumfang haben: Sechs pakistanische Programmierer jungen Alters haben am Dienstag in Lahore ein neues soziales Netzwerk gestartet. Die Seite mit dem Namen Millatfacebook - "Millat" ist das Wort für "muslimische Nation" in der lokalen Sprache Urdu - soll "Pakistans erste eigene Social Networking-Seite" sein, ein "Portal von Muslimen für Muslime". Aber auch nette Leute aus anderen Religionen seien willkommen, schreiben die Macher.

Das Angebot, das sich optisch stark beim Original bedient, stellt eine Reaktion auf den aktuellen Wirbel um den "Everyone Draw Mohammed Day" dar. Dieser von amerikanischen Anti-Zensur-Aktivisten gestartete Prophet-Mohammed-Zeichenwettbewerb auf Facebook hatte in diversen islamischen Ländern zu massiven Protesten und Demonstrationen führte. In Pakistan war Facebook daraufhin "wegen Blasphemie" gesperrt worden; eine ebenfalls verhängte Blockade der Google-Video-Seite YouTube wurde teilweise wieder aufgehoben.

Millatfacebook bietet in seiner aktuellen Form die bekannte "Wall" von Facebook für Kommentare und die Möglichkeit, Fotos und Videos hochzuladen. Ebenfalls integriert sind Chat, Nachrichten und ein Diskussionsforum. Um mitzumachen, müssen die Neunutzer drei Regeln einhalten: "Ihr müsst die Menschheit respektieren, den Glauben aller Menschen und dürft niemanden geringschätzen", so die Geschäftsbedingungen.

Die englischsprachige Seite soll nach Angaben der Betreiber in den ersten drei Tagen rund 4000 Mitglieder eingesammelt haben - vor allem junge, gebildete Menschen seien es. Allerdings krankt das Angebot am bekannten Netzwerkeffekt, der Angebote bevorzugt, die bereits viele Nutzer haben: Auf dem Original-Facebook tummeln sich mindestens 2 Millionen Pakistanis, trotz aller Proteste.

Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP gab sich einer der Millatfacebook-Macher trotzdem siegesgewiss: "Wir wollen Facebook sagen, dass es die Konsequenzen tragen muss, wenn sie mit uns so umspringen. Wenn jemand Blasphemie gegen unseren Propheten betreibt, werden wir zu seinem Konkurrenten." Ziel des Angebots sei es, "das größte muslimische soziale Netzwerk der Welt" zu werden und Facebook damit "geschäftliche Verluste" erleiden zu lassen.

Noch kommt "Millatfacebook" bei einigen Kritikern allerdings nicht besonders gut weg. Eine Lokalzeitung schrieb, die Bedienfreundlichkeit der Seite sei "so schlecht, dass es nicht einmal den Titel Facebook-Klon verdient". Das Projekt sei zwar "ein sehr mutiger Schritt", doch ein größeres Publikum werde es in seiner jetzigen Form wohl nicht versammeln können. Nutzer kritisierten, dass Millatfacebook auch noch die bekannten Internet-Spiele fehlten.

Beim Original-Facebook erwägt man unterdessen, zumindest für den pakistanischen Raum zur Selbstzensur zu greifen. "Wir analysieren die Situation und die rechtliche Situation gerade und werden dann agieren, worunter auch das Sperren einzelner Inhalte für Nutzer in Pakistan fallen kann", sagte ein Sprecher des Unternehmens er taz. Zuvor hatte ein pakistanisches Gericht die Blockade des gesamten Dienstes wegen dem Prophet-Mohammed-Zeichenwettbewerb angeordnet. Frevlerische Inhalte würden nicht geduldet, hieß es auch von der pakistanischen Telekommunikationsbehörde PTA.

Der Aufbau eines Gegen-Facebooks ist indes keine Idee, die nur muslimische Aktivisten haben, die die Behandlung ihrer Religion durch das mittlerweile größte soziale Netzwerk der Welt für problematisch halten. In den USA gibt und gab es so mehrere Versuche evangelikaler Christen, sich von dem kalifornischen Giganten zu verabschieden und eigene Projekte zu pushen. Im Umfeld der konservativen "Tea Party Nation" wurde ebenfalls ein Anti-Facebook aufgebaut, das dem Unternehmer Judson Phillips gehört. Er habe sich für die Gründung entschieden, nachdem einige Aktivisten ihre Facebook-Accounts "von heute auf Morgen" ohne Begründung geschlossen bekommen hätten. "Meine Angst war, dass 72 Stunden vor unserer großen Veranstaltung Facebook kommt und uns vernichtet", sagte Phillips dem New York Magazine.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.