Soziale Ungleichheit in Deutschland: Alte und Behinderte werden ärmer
Die Zahl der Menschen, deren Renten durch den Staat aufgestockt werden, steigt. Insbesondere sind Westfrauen betroffen, auch wegen gescheiterter Hausfrauenehen.
BERLIN taz | Die Zahl der von Armut betroffenen Alten und Behinderten steigt, aber bisher nur moderat. Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit nahm laut Statistischem Bundesamt 2010 im Vergleich zu 2009 um 4,3 Prozent zu und liegt jetzt bei 797.000.
Die "Grundsicherung", die etwa der früheren Sozialhilfe entspricht, erhalten Ältere oder Behinderte, deren Rente nicht ausreicht, um das gesetzliche Existenzminimum zu decken. Dieses liegt so hoch wie die Bedarfsgrenze für Hartz-IV-Empfänger inklusive Regelsatz und Wohnkosten. Ist die Rente niedriger, stockt der Staat mit der Grundsicherung auf das Existenzminimum auf.
Rund 412.000 Personen über 65 Jahren bekamen 2010 die Grundsicherung im Alter. Die Quote, also der Anteil der Empfänger an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe, betrug 2,5 Prozent. Besonders betroffen sind Frauen im alten Bundesgebiet. Von diesen älteren westdeutschen Frauen beziehen 3 Prozent die "Sozialhilfe" im Alter.
In den neuen Ländern liegt die Armutsquote bei den älteren Frauen nur bei 1,2 Prozent. Möglicherweise ist die Frauenarmut im Westen der Preis für gescheiterte Hausfrauenehen und Minijobexistenzen, die im Alter zu Kleinrenten führen, die dann aufgestockt werden müssen.
Die Grundsicherungsquote war zwar 2010 gestiegen, im Jahr davor jedoch leicht abgesunken. Im Jahr 2009 waren die Renten spürbar angehoben worden. Viele Kleinrentner kamen so über die Armutsgrenze. Im Jahre 2003 lag die Grundsicherungsquote noch bei 1,73 Prozent.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband geht von einer Altersarmutsquote von 10 Prozent in den nächsten Jahren aus. Denn infolge der Rentenreformen sinkt die Höhe der Ruhestandsgelder im Vergleich zum Preisniveau.
Um im Jahre 2030 eine gesetzliche Rente wenigstens in Höhe des Grundsicherungsniveaus zu erhalten, müsste ein Beschäftigter nach heutigem Stand insgesamt 34 Jahre lang durchschnittlich verdient und in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, am Freitag.
Für viele sei das nicht leistbar. Bei dieser Rechnung muss man jedoch beachten, dass auch das Grundsicherungsniveau künftig kaum steigen wird, weil dieser Wert teilweise an die Rentenentwicklung gekoppelt ist.
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