piwik no script img
taz logo

Soziale Spannungen im Kotti-KiezKein Land in Sicht

Bei einer Podiumsdiskussion zur Situation am Kottbusser Tor prallen die Meinungen aufeinander. Die Anwohner sind aufgebracht, die Politiker haben keine Lösung parat.

In einem Punkt waren sich die Kontrahenten einig: Die Drogenabhängigen am Kottbusser Tor brauchen Hilfe. Nur wo diese geleistet werden soll, darüber wurde bei einer Podiumsdiskussion am Freitagabend im Festsaal Kreuzberg leidenschaftlich gestritten. Die Politiker auf der Bühne verkündeten unisono, dass Hilfsangebote dort angesiedelt sein müssten, wo sich die Leute aufhalten - also rund um das Neue Kreuzberger Zentrum. Mehrere Anwohner unter den gut 200 Zuhörern forderten dagegen, andere Bezirke müssten sich auch um Drogenabhängige kümmern. "Vor dem Reichstag" könne doch ein Treffpunkt für Drogensüchtige entstehen, riefen türkischstämmige Frauen in den vollbesetzten Raum.

Zu der Veranstaltung, die der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir moderierte, hatte die Bürgerinitiative "Drogen weg vom Kottbusser Tor" eingeladen. Ihrer Ansicht nach ist die Situation für die Anwohner und ihre Kinder nicht länger zumutbar. Es bestehe die Gefahr, dass bald einige Väter zu Selbstjustiz greifen, sagte der Sprecher der Initiative, Ercan Yasaroglu. Aus dem Publikum kamen wiederholt Zwischenrufe, die wirtschaftliche Interessen hinter der Antidrogeninitiative vermuteten.

Auf dem Podium gaben dagegen alle zu, dass etwas getan werden müsse - auch für die offenbar zunehmend als Belastung empfundene Trinkerszene. Zudem waren die Politiker von Grünen, FDP, Linkspartei und SPD einer Meinung darin, dass für den Druckraum in der Dresdner Straße, dem zu Ende März gekündigt wurde, möglichst schnell Ersatz gefunden werden müsse. Eine neue Einrichtung müsse rund um die Uhr geöffnet haben, um "die Leute von der Straße zu bekommen", sagte Christian Ströbele, grüner Bundestagsabgeordneter für Friedrichshain-Kreuzberg. Nur wolle niemand eine solche in seiner Nähe dulden, gab der Bezirksstadtrat für Soziales, Knut Spindler, zu bedenken: "Wir könnten mit einem Sack voll Gold durch Kreuzberg laufen, niemand würde uns einen Raum vermieten."

Damit hätte sich der Moderator des Abends angesprochen fühlen können. Doch Cem Özdemir gab selbst keine Erklärung ab, warum er einen Druckraum in seinem Wohnhaus ablehnt. Diese Idee hatte Parteikollege und Bezirksbürgermeister Franz Schulz vorige Woche ins Spiel gebracht. In dem Haus in der Kottbusser Straße werden Räume frei. Stattdessen gab der Grünen-Chef am Ende des Abends einem seiner Hausnachbarn das Wort. Der fasste zusammen, dass es "einfach zu viel" geworden sei - und die Politik längst etwas getan hätte, wenn am "Kotti" nicht vor allem Migranten leben würden. Jetzt müssten Druckräume in anderen Gegenden zur Entlastung her. "Ich kann ihnen ein paar Häuser nennen, die leer stehen - auch am schönen Paul-Lincke-Ufer."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!