: Sowjet-Nein zu Nato-Deutschland
■ Schewardnadse bekräftigt Ablehnung der deutschen Nato-Mitgliedschaft / Falin könnte sich Deutschland als Mitglied zweier Paktsysteme vorstellen / Frankreichs Außenminister Dumas gegen neutrales Deutschland
Berlin (apn/taz) - Ein klares Njet stellte der sowjetische Außenminister Schewardnadse allen Bestrebungen entgegen, ein vereinigtes Deutschland in die Nato zu integrieren. In einem von der Auslandsagentur 'Nowosti‘ am Dienstag verbreiteten Interview stellte er jedoch auch klar, daß die Sowjetunion nach einer Lösung suche, die „Deutschland zum Faktor der Stabilität“ in Europa machen soll. Für den französischen Außenminister Dumas, der sich ebenfalls am Dienstag zu dem Thema äußerte, könnte ein so definiertes Deutschland jedoch niemals neutral sein; Dumas befürwortete vor der französischen Nationalversammlung alle Denkanstöße in Richtung gemeinsamer Verteidigungspolitik der Europäischen Gemeinschaft. Dagegen trat der sowjetische Deutschlandexperte Valentin Falin für eine Übergangszeit ein, während der der westliche Teil in der Nato und der östliche Teil im Warschauer Pakt blieben. Er erklärte aber ebenfalls eine Nato-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands für unannehmbar.
In seinem Interview schloß der sowjetische Außenminister Schewardnadse eine „Verlangsamung des Entgegenkommens der beiden deutschen Staaten“ nicht mehr aus. „Die deutsche Einigung wird nicht so schnell erfolgen, wie es scheinen mag.“ Um die Vereinigung Deutschlands zu synchronisieren, müsse man die Herausbildung der gesamteuropäischen Strukturen beschleunigen. Dagegen sah der sowjetische Außenminister im Gipfeltreffen zwischen Bush und Gorbatschow Anzeichen für einen wirklichen Durchbruch bei der Abrüstung. Aber auch auf anderen Gebieten, vor allem der Wirtschaft und der Kultur, werden nach seinen Worten mehr als ein Dutzend Vereinbarungen unterzeichnet werden.
Der französische Außenminister Dumas sieht in der EG die Weichen für eine neue Verteidigungspolitik gestellt, die im Rahmen der deutsch-französischen Zusammenarbeit erweitert werden sollten. „Wir müssen mit Deutschland auf diesem Wege voranschreiten“, erklärte Dumas, aber auch Großbritannien solle sich an diesem Prozeß beteiligen.
Er sprach sich weiterhin dafür aus, amerikanische und kanadische Streitkräfte in Europa zu belassen und das Bündnis mit den USA und Kanada fortzuführen. Noch vor Jahresende könnte ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 35 KSZE-Staaten stattfinden, auf dem die Etappen zu einem neuen Europa der Sicherheit festgelegt werden könnten. Die von Staatspräsident Mitterrand vorgeschlagene gesamteuropäische Konföderation habe großen Anklang gefunden, erklärte Dumas und wies noch einmal darauf hin, daß Rußland in diesem Europa wie jedes andere Land auch seinen Platz finden werde.
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