■ Soundcheck: Motorpsycho / Camarata
Gehört: Motorpsycho. Auftritte der norwegischen Band Motorpsycho sind nicht einfach nur Auftritte. In ihren Zusammenhängen existiert keine Normalität, kein Standard. Opulent ausgestattet erzählen sie die Geschichten von der Aufhebung aller Schwerkraftgesetze und der Relativierung des Faktors Zeit. Entgrenzungsszenarien total, natürlich psychedelisch. Allerdings wäre es völlig verfehlt, Motorpsycho auf eine ausufernde Abspace-Orgie zu reduzieren. Unbeirrbar vermessen sie ihr musikalisches Universum, finden Nischen und Verästelungen mitten im großen Bezugssystem der gitarrenbeladenen Rockmusik. Ohne Ironie, ohne schicken Retro-Style, jedoch in unaufdringlicher Kenntnis der eigenen Historie.
Entsprechend facettenreich beeindrucken die mannigfaltigen Tonträger ihre Hörer. Dort ist zwischen unterproduzierten Songperlen, dröhnenden Analog-Synthies und an Fugazi erinnernde Rhythmusgebilden alles möglich. Live dagegen zelebrieren die drei Norweger mit besonderer Vorliebe ihre bis zu 20minütigen Brachialattacken. Unterstützt von entsprechendem Filmmaterial demonstrieren sie, was es heißt, Dramaturgie wirklich zu beherrschen.
Sven Opitz
Gehört: Camarata. Im Brahms-Gedenkjahr, daran erinnerte das Konzert der Hamburger Camarata am Dienstag in der kleinen Musikhalle, gilt es unbedingt auch eines anderen großen Hamburger Musikers zu gedenken: Felix Mendelssohns, dessen 150. Todestag zu feiern ist. Richard Wagner hat Mendelssohns guten Ruf auf dem Gewissen, im giftigen Fahrwasser die Nazis. Bis heute nennen Fachleute ihn oberflächlich und gefällig. Dabei sind schon die Kompositionen des Zwölfjährigen – die Camerata spielte die h-moll Streichersinfonie und, erstmals in Hamburg, das a-moll Klavierkonzert – intelligente Talentproben im Anflug auf die Romantik. Eine Auftragskomposition der Camerata für den Hamburger Jan Müller-Wieland ging vom Sechsten der Mendelssohnschen Lieder ohne Worte aus und kam – klanglich und rhythmisch ideenreich und schlüssig – in Eigenständigkeit an. Stefan Siegert
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen