■ Soundcheck: Gehört: McCoy Tyner Trio
Gehört: McCoy Tyner Trio. „Super“ lauteten die ersten Reaktionen nach einem zweistündigen Highlight beim WestPort Festival in der Musikhalle. Begeistert hatte das McCoy Tyner Trio featuring Michael Brecker.
„Das Leben verläuft in Kreisbahnen“, sagt der Pianist, der schon in jungen Jahren zur lebenden Jazzlegende avancierte. Zu verdanken hatte der 57jährige diesen Ruf nicht nur seiner Zugehörigkeit zum John Coltrane Quartet (1962 bis 1966), sondern vor allem seinem stilbildenden „modalen“ Piano-Spiel, das er auch während des Konzerts zelebrierte: Schwarze Klassik aus fließenden Akkorden, die so gewählt sind, daß sie jede Reise in die Fremde und Ferne gestatten.
Mit seinem neuen Infinity-Programm ist er jetzt nicht nur zum revitalisierten Impulse!-Label zurückgekehrt, sondern auch zu den Wurzeln von Modern Jazz, African Piano, Bahia-Sound und Blues. Die brillanten Mitspieler werden dabei durch Michael Breckers melodisch-ekstatisches Saxophon zu unerwarteten rhythmischen Höchstleistungen getrieben. Avery Sharpe an Contra- und sechssaitigem E-Bass sowie Schlagzeuger Aaron Scott hätten auch bei Coltrane ihren Platz gefunden. Getragen wird alles von den differenziert synkopierten Flügel-Schlägen des Meisters Tyner.
Reminiszenzen an Thelonius Monks Oktav-Ekstasen fehlten ebenso wenig wie Ausflüge in US-amerikanische Krimi-Musik. Ein Trip der dritten Art, wie ihn einst der Dichter Leroi Jones so treffend beschrieb: „Die Leute, die diese Musik machen, sind Intellektuelle oder Mystiker oder beides. Wenn Du nicht innerlich bereit bist für die Länder des surrealen Dada a la Harlem, dann magst Du die Erfahrung nicht überleben.“ Vielleicht war die Halle deshalb so schlecht besucht: Angst vor klassischem, schwarzem Rausch.
Gunnar F. Gerlach
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