■ Soundcheck: Heute abend: Tomatito
Heute abend: Tomatito. Tomätchen ist ein Name, der auf den ersten Blick bzw. das erste Hören nicht gerade Qualität zu versprechen scheint. In Spanien ist das (wie so vieles, vom Wetter wollen wir gar nicht erst reden) anders: Tomatito wird dort als Supergüteklasse A gehandelt. Der andalusische Sohn einer fahrenden Obst- und Gemüsehändlerfamilie, Enkel des geschätzten Gitarristen El Tomate und Neffe des ebenso verehrten Gitano-Musikers Niño Miguel, gilt neben Paco de Lucia als der beste Flamencogitarrist unserer Zeit.
„Mein Stil? Kämpfer. Und im Musikalischen: Rhythmus. Vor allem Rhythmus“, definiert Tomatito sein Spiel. Im Gegensatz zu anderen derzeit sehr erfolgreichen Gitano-Bands hat Tomatito seine Musik nicht, wie etwa Ketama, afrikanischen Einflüssen geöffnet oder, wie Radio Tarifa, mit Flamenco-unüblichen Instrumenten erweitert. Tomatito spielt Flamenco pur – und gehört doch zu dessen Erneuerern. Nicht allein wegen seiner atemberaubenden Synkopierungen, sondern vor allem, weil sein Variationsvermögen von Phrasierungen in dem in Andalusien heiligen musikalischen Ausdruck von Schmerz und Leidenschaft auch Humor zuläßt.
Schon als 16jähriger spielte er mit Camarón de la Isla, dem verehrtesten Flamenco-Sänger dieser Epoche. Als Camarón vor fünf Jahren starb, stellten sich die zutiefst katholischen Andalusier zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Himmel unvollkommen vor: Eine Karikatur zeigte Camarón auf einer Wolke, neben ihm ein Mann mit weißem Bart und einer Leier. „Der spielt ja wie der liebe Gott“, nickt der Sänger anerkennend, „aber wo steckt Tomatito?“Heute abend jedenfalls, oh supragöttlicher Genuß, in der Musikhalle.
Christiane Kühl
Musikhalle, 20 Uhr
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