■ Soundcheck: Gehört: Roy Hargrove's Crisol
Gehört: Roy Hargrove's Crisol. Der Titel des Abends hatte etwas skeptisch gemacht: Eine „Havanna Night“war angekündigt, dabei wußte man doch ganz genau, daß Roy Hargrove aus New York kommt. Genau genommen stammt die Hälfte seines zehnköpfigen Crisol-Projekts nicht aus Kuba und nur, weil die Jungs mal beim Havanna Jazz Festival gemeinsam gejammt haben, sich den Namen eines Mythos vor den Bauch zu binden, schien weit hergeholt.
Schon beim Betreten des Grünspans am Dienstag abend verflogen jedoch die ersten Bedenken, denn der dunkelrote Jahrhundertwende-Saal mit seinen goldenen Säulen wollte gleich an Havannas morbiden Charme erinnern. Allein kleine Tische mit Lämpchen und Mojitos fehlten, und wenn doch statt der Decke ein karibischer Himmel zu sehen gewesen wäre ...
Der Himmel kam dann nicht von oben, sondern von vorn und drang über die Ohren ins europäische Gemüt. Hargrove trompetete spitz wie Micky Mouse, der Mini so willenlos wie den Malecón klopfen will, während Frank Lacy Pluto-gleich mit seiner Posaune um sich biß. John Benitez hingegen zupfte den Kontrabaß entspannt wie Balu der Bär und Chucho Valdés ließ sich in seiner Trainingshose am Piano eh nicht beirren. Gemeinsam spielten sie sich virtuos, grandios, genial durch den Jazz der letzten 40 Jahre, fielen in und aus lateinamerikanische Rhythmen, ohne je anbiedernd zu sein. Nach 90 Minuten gab es eine Pause, die Musiker lümmelten sich in den Sofas, dann ging es mit derselben Spiel- und Sessionfreude weiter. Alles, was dem West Port an Atmosphäre fehlte, war hier in wunderbarer Überdosis vorhanden. Und als die Musiker um 1 Uhr die Bühne verließen, hatte das Dach doch abgehoben. Und wir die Sterne gesehen. ck/jms
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