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Sophie Jungschaut sich in Berlins Galerien um

Ja, ich will es mir ansehen, wie die Schafe da in Zeitlupe von den massigen Schlach­ter­haken an der Kamera vorbeiziehen, ihre Kehlen aufgeschnitten, die Zunge schlapp aus der klaffenden Öffnung hängend. Mit seinen meditativen Filmen verführt Louis-Philippe Scoufaras nämlich zu diesem befremdlichen Wohlgefallen am Abwegigen oder Grenzwertigen. Er ließ an anderer Stelle schon einmal in langsamen Aufnahmen den mythischen Chronos ein Neugeborenes verspeisen, und das war auch irgendwie „schön“. Bei xavierlaboulbenne nutzt der kanadisch-griechische Scoufaras solch eine ästhetische Oberfläche, um in die kulturhistorischen Tiefen des westlichen Materialismus vorzudringen: Seiner Installation stellt er einen Text der Pythagoreer voran, einer teilweise verfolgten Reformbewegung der griechischen Antike, die an Seelenwanderung glaubte und das Töten von Tieren ablehnte, und konfrontiert ihre Lehre mit dem Zynismus des heutigen Konsums: Auf einem anderen Bildschirm sind ohne Zeitlupen-Verschönerung die noch lebenden Schafe des ersten Films zu sehen, auf ihren Fellen ist das Wort „Feinschmecker“ gesprüht – in makelloser Frakturschrift, wie es die tatsächlichen abgezogenen Felle an der Wand zeigen (bis 30. 3., Mi.–Sa. 14–18 Uhr, Schönleinstr. 5).

Eine Kritik an Industrie und Materialismus schwingt auch bei Susanne Schmitt mit, doch sie begibt sich dafür vielmehr ins Nostalgische. Für ihre Ausstellung bei Blake & Vargas kehrt sie zu historischen Techniken der Kunst zurück, zu bunten Glasfenstern in geschmiedeten Zinkrahmen, zu handgeformten Keramikstücken, zu gefärbten Textilien. Schmitt betreibt mit ihren Objekten eine verschrobene Archäologie: Krumme große Blockflöten aus Ton oder Peter-Bruegel-artige Landschaften auf Stoff bilden die verzerrten Fragmente einer imaginierten präindustriellen Vergangenheit (bis 1. 3., Mo.–Fr. 11–18 Uhr, Reichenberger Str. 72).

Figurativ, großflächig, meist mit Öl auf Leinwand – so arbeitet der Maler Amoako Boafo. Seine Sujets: Menschen. Meist nur im Halbporträt, manchmal aber auch liegend, stehend, sitzend sind sie noch bis Samstag im Salon Dahlmann zu sehen. Wie Boafo mit klaren Farben und Pinselstrichen auf seinen Leinwänden Kleidungsstücke zu Flächen macht und wiederum mit kreisförmigen Schwüngen Haut und Gesicht zu einem individuellen Ornament werden lässt, ist nicht nur erfrischend eigen, sondern stellt auch auf ästhetischen Wege die Frage danach, was Subjekt und Menschsein ausmachen. Boafo porträtiert vor allem Personen der schwarzen Diaspora (bis 20. 2. Sa. 12–18 Uhr, Marburger Str. 3).

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