Sonntaz-Gespräch mit Bazon Brock: "Das Netz ist der Gulag unserer Zeit"
Bazon Brock, das Enfant terrible der deutschsprachigen Kunstszene, über Joseph Beuys, den Finanzmarktirrsinn und die Kathedralen des strahlenden Atommülls.
Bazon Brock hat mit Joseph Beuys und Friedensreich Hundertwasser zusammengearbeitet. Mit Peter Sloterdijk hat er kürzlich in Karlsruhe den Studiengang des "professionalisierten Bürgers" gegründet. Und neuerdings lehrt er in seiner "Berliner Denkerei" den Umgang mit unlösbaren Problemen.
Denn Brock glaubt, dass die Menschen eine Allmachtswahnidiotie über sich und die Welt zugelassen haben, die sie unabdingbar in den Ruin, in die Psychiatrie oder den Selbstmord treibt. "Die Geldwirtschaft ist", sagt er im sonntaz-Gespräch, "eine systemische Fiktion, eine Spinnerei eines Clubs von Verrückten."
Brock möchte die Menschen mit seinen Studiengängen und Aktionen wachrütteln – der "professionalisierte Bürger" soll lernen, sich gegen die angeblich rationale und faktische Macht des Politischen und Ökonomischen zu behaupten.
Auch wenn er mit den Aktivisten von Occupy sympathisiert, die auch online erfolgreich Aufmerksamkeit generiert haben: das Internet hält Bazon Brock grundsätzlich für gefährlich. Im sonntaz-Gespräch nennt er es gar den "Gulag unser Zeit".
Das ganze Gespräch mit Bazon Brock und viele andere spannende Texte lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 11./12. Februar 2012. Am Kiosk, eKiosk und im Wochenendabo. Für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
"Jedes Datum Ihrer Bewegungen, jedes Datum Ihres Austausches mit anderen Menschen, kann jederzeit von Machtinstitutionen kontrolliert und abgezogen werden", sagt Brock. "Wir werden es noch hinreichend erleben, wie durch so gewonnene Daten, die heute noch unter Terrorabwehr laufen, eines Tages unsere Demokratie aufgehoben wird."
Geboren wurde Brock als Jürgen Johannes Hermann 1936 in Stolp (Pommern, heute Polen). Sein Lateinlehrer hatte ihn "Bazon" – griechisch "der Schwätzer" – genannt, weil er so ausdauernd zu reden vermochte. Seit den 60er Jahren ist er "Happening-Artist", Kunsttheoretiker, Professor für Ästhetik und "Künstler ohne Werk". Von 1968 bis 1992 hat er die documenta-Besucherschulen geleitet.
20.000 Menschen zum Parallelswingen gebracht
Mittlerweile ist er 75 Jahre alt und sagt über sein eigenes Wirken: "Ich habe ja seit 1965 2.500 Veranstaltungen gemacht und da kann ich sagen, dass ich mit meinen unmittelbaren Aktionen etwa 20.000 Menschen zum Parallelswingen gebracht habe und da liegt meine Wirkung."
Um die Menschen mit ihrem Allmachtswahn hinsichtlich der Beherrschbarkeit eines Jahrtausende lang strahlenden atomaren Restmülls zu konfrontieren, möchte er in Großstädten "Kathedralen des strahlenden Mülls" erbauen. Auf dem Moritzplatz in Berlin soll die erste strahlende Kathedrale der Welt entstehen.
Im sonntaz-Gespräch sagt Brock: "Der strahlende Müll in Großstädten neben Moschee, Synagoge und Kathedrale repräsentiert diese Verpflichtung von jedermann auf Ewigkeitsdienst. Statt Wehrdienst gilt es, Ewigkeitsdienst zu leisten. So kann man die Bürger mit der Verantwortung für das eigene menschliche Tun konfrontieren. Schluss mit anything goes und der vermeintlichen Beliebigkeit im Basteln von Wirklichkeitskonzepten."
Über diese Kathedralen des strahlenden Mülls, demokratisierendes Nichtwissen und die Frage, weshalb er im Zweiten Weltkrieg als Junge von knapp neun Jahren mit einer Panzerfaust auf die Russen geschossen hat, spricht Bazon Brock in der aktuellen sonntaz.
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