hamburger szene : Sonntägliche Süchte
Der gemeine Nikotinjunkie kennt kein Wochenende. Ausstaffiert mit extrahässlichen Trainingshosen, das Handy am Ohr, mache ich mich deshalb am Sonntagmorgen auf, um mal schnell Zigaretten zu holen.
Auf dem Weg zum Automaten treffen mich die ersten schrägen Blicke. Nein, ich bin kein Sonntagspaziergänger, nein, ich war nicht in der Kirche und nein, ich habe heute noch nicht geduscht. Marke wählen, Schein reinstecken. Alles wäre so einfach, wenn Zigarettenautomaten 20 Euro Scheine nehmen würden. Die nächste Tanke ist weit weg, der Kiosk hat zu und der Kneipe nebenan ist das Kleingeld ausgegangen. Selbst 10 Euro Scheine sind nicht zu bekommen. Die Kneipe ist anscheinend pleite. Ich versuche es also in einer nahe gelegenen Spielhalle. Die Leute an den Automaten sehen genauso sonntäglich aus wie ich, nämlich gar nicht. Am Handy ist meine inzwischen genervte Freundin fast verstummt. „Aber nur ausnahmsweise“, sagt die ältliche Kassiererin beim Wechseln, „und das nächste Mal kommen sie bitte ohne Handy hier rein.“ Beschämt beende ich das Gespräch sofort. „Telefonieren ist hier wohl verboten, hm?“ „Nee“, sagt die Kassenfrau. „Aber wenn unsere Spieler das Handy sehen, könnten sie nervös werden.“
Das Klientel von Spielhallen hat eine neue mystische Dimension erreicht: Sind es schwache Nerven? Oder plötzliche Aggressionsschübe? Man merke: Mobiltelefonie gefährdet mitunter Leib und Seele – auch bei Nichtrauchern. ANNA-LENA WOLFF