: Sonne überm Elend
Von unserer Kontext-Redaktion↓
Die Sonne, sie schien zuletzt selten über Stuttgart 21. Immer nur schlechte Nachrichten, die leidigen Kosten, ach, schon wieder 1,6 Milliarden mehr, und dann dieser garstige Winfried Hermann mit seinem Interview, als reiche es dem Grünen nicht, dass er weiß, wo überall Probleme liegen, da muss er sie auch noch aufzählen, diese Kassandra von einem Verkehrsminister! Nicht gut fürs Gemüt, das Ganze, da waren die drei Tage von Karsamstag bis Ostermontag purer Balsam für die Seelen der Deutschen Bahn, genauer, des Vereins Bahnprojekt Stuttgart – Ulm e. V. Denn der hatte zu Tagen der offenen Baustelle geladen, das große Loch dort, wo einmal der S-21-Tiefbahnhof sein soll, war nicht nur von Sonne durchflutet, sondern auch von tausenden Menschen, 59.000, um genau zu sein, zwischen den Kelchstützen hallte sogar Kinderlachen wider. Die schwärende Wunde, pardon, die Baustelle habe „die Menschen in ihren Bann gezogen und begeistert“, wie der Projektvereinsvorsitzende Bernhard Bauer sagte, laut Pressemitteilung „sichtlich überwältigt“.
Besagte Pressemitteilung skizzierte darüber hinaus eine interessante Erweiterung im Katalog direktdemokratischer Partizipationsmöglichkeiten: Die Tage der offenen Baustelle hätten „mit großer Zustimmung“ geendet, war zu lesen. Wie genau diese gemessen wurde, bleibt zwar ein Rätsel, in der Meinungsforschung ist das Instrument der intuitiven Empirie bislang noch wenig wertgeschätzt, doch Bernhard Bauer ist sich sicher: „Die meisten freuen sich auf die Fertigstellung und Inbetriebnahme des Bahnhofs.“ Und er führt weiter aus: „Das Konzept des direkten Anschauens und Austauschens mit den Fachleuten ist ein erfolgreicher Weg, der Transparenz und dadurch mehr Vertrauen schafft.“ Frau Staatsrätin für Bürgerbeteiligung Barbara Bosch, wir hoffen, sie haben gut aufgepasst. Und ihr Defätisten vom Aktionsbündnis gegen S 21: Müsst ihr am Donnerstag gleich wieder mit diesem Protest gegen nicht funktionierende Aufzüge und Rolltreppen anfangen, ist doch wahr!
Nicht ganz so viele Menschen wie auf den Tagen der offenen Baustelle waren am Wochenende auf Ostermärschen unterwegs. Beim zentralen baden-württembergischen Ostermarsch in Stuttgart waren es um die 2.500, immerhin mehr als bei anderen Ostermärschen der Vergangenheit. Dafür mit den altbekannten Ritualen, Parolen und Weltdeutungen.
Auch Demos gegen die kaum noch existenten Maßnahmen zur Corona-Eindämmung gab es über das Oster-Wochenende. Was einige führende Köpfe der Querdenkenden mit Wladimir Putin zu tun haben, lesen Sie in dieser Ausgabe (nur online).
Und dann gibt es da noch die Grünen. Die, die es gegen all die Rücktritts-SchreierInnen nicht geschafft haben, der gerade zurückgetretenen Familienministerin Anne Spiegel den Rücken zu stärken. Und die, die bei der OB-Wahl in Tübingen gegeneinander antreten. Da kommt es im Herbst zum Showdown: Boris Palmer (Grüne) gegen Ulrike Baumgärtner (Grüne). Es bleibt spannend.
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