Die heutige Situation in Afghanistan ist der „Fire-and-Forget“ Mentalität geschuldet, der sich unsere Politik(er) inzwischen regelmäßig bei ihren politischen Entscheidungen bedient hat und offenbar weiterhin geneigt ist sich zu bedienen!
Die tatsächlichen Verhältnisse in Afghanistan werden offensichtlich ignoriert - ob dieses nun (partei)politischem Kalkül entspricht oder schlichtweg Uninformiertheit ist, mag man dahingestellt lassen können - man scheint aber nicht unbedingt bemüht zu sein die Uninformiertheit der Bürger dieses Landes, endlich beenden zu wollen!- Anders ausgedrückt: Zu viel Wissen fördert die öffentliche Diskussion und die scheint man politisch nicht zu wollen. Insoweit ein paar ergänzende Informationen (Stand per 12.09.2009) aus eienm vorhergehnedn Kommentar:
Man führe sich bitte vor Augen: Der Norden von Afghanistan, also der deutsche Verantwortungsbereich des Regionalkommando Nord (RC North), hat eine Größe die ungefähr 50 % der Landfläche Deutschlands entspricht (eine Ausdehnung von rund 1.200 km in Ost-West-Richtung und rund 400 km Nord-Süd Richtung)!
Allein die Entfernung von Kundus nach Feyzabad, den Standorten der beiden deutschen Provincial Reconstruction Teams (PRT) beträgt rund 260 Kilometer.
Ich zitiere ergänzend aus einem Bericht des Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei (Quelle: www.nachtwei.de/index.php/articles/375 ), der einen guten Einblick in die geographische Lage vor Ort vermittelt und damit auch die Herausforderungen skizziert denen sich die SoldatenInnen vor Ort gegen übersehen.- Zu seinem Besuch im PRT Feyzabad führte er aus: „Die u.a. an China angrenzende Provinz erstreckt sich über 450 km in Ost-West- und 300 km in Nord-Süd-Richtung und umfasst eine Fläche von der Größe Dänemarks. Die Bevölkerung wird auf ca. eine Mio. geschätzt. Badakhshan sieht sich als „vergessene Provinz". Die Lebensadern des PRT nach außen sind dünn und weit: Von Kunduz nach Feyzabad braucht man auf dem Landweg ca. 12 Stunden (im Winter ggfs. unpassierbar), durch die Luft ca. 1 Stunde. Da hier die zweimotorige Transall zu Normalzeiten nicht landen darf, kommen hier überwiegend die - knappen - CH-53-Hubschrauber zum Einsatz. Die Infrastruktur ist katastrophal, asphaltierte Straßen gibt es nicht. 40 km können hier eine Tagesreise bedeuten, Patrouillen in einen Ort 80 km Nordost brauchen 6 Tage.“ und weiter „Schon mit geschützten Fahrzeugen ist nur ca. die Hälfte der Distrikte erreichbar. Mit gepanzerten Fahrzeugen wären nur noch fünf Distrikte eingeschränkt erreichbar, die 23 anderen nicht mehr.“ Und zu seinem Besuch im PRT Kundus führte er weiter aus: „Der Verantwortungsbereich des PRT ist so groß wie Sachsen-Anhalt bei einer Bevölkerung wie Hamburg. Es gibt zwei befestigte Straßen, eine in Nord-Süd, die andere in Ost-West-Richtung.“
Ein Kontingent von (Stand per 12.09.2009) 4.240 deutschen SoldatenInnen (davon übrigens 310 Reservisten!) hat also den Auftrag, in dieser Fläche gemeinsam mit den weiterhin mäßig ausgebildeten und ausgerüsteten Afghanischen Sicherheitskräften den Schutz der afghanischen Bevölkerung vor Übergriffen der Taliban sicherzustellen (deutsche Terminologie: Schutztruppe).
Es soll ein „robustes“ Mandat sein, das die Bundeswehr in Afghanistan für die UN umsetzen soll. So zumindest die Lesart dessen, was deutsche Politiker hinlänglich in der Öffentlichkeit verbreiten!
Ohne Frage gehört es dann dazu, dass man als Truppe vor Ort die Fähigkeit hat, diese Mission auch initiativ durchzuführen!
Ein Blick auf die zur Verfügung stehenden militärischen Kräfte der Bundeswehr im Norden des Landes ernüchtert: Die Masse des derzeitigen deutschen Kontingents von 4240 SoldatenInnen sind „Unterstützungskräfte“ [stab, Versorgung, Schutz, Sanität, Operative Informationen, Feldjäger, EOD, Feldlagerbetrieb, Ausbildung (OMLT, Polizeiausbildung, Kraftfahrer und Mechaniker, mobile Ausbildungsteams etc.), Militärisches Geologiewesen, Wehr- und Truppenverwaltung etc.].
Dieses deutsche Kontingent verteilt sich in Masar-i-Scharif auf das RC-North, hier zusammen mit den Soldaten des deutschen QRF-Verbandes und der Forward Support Base (FSB), den Heeresfliegern und der Luftwaffeneinheit, die mit den Tornados den Einsatz unterstützen; auf die Feldlager der beiden PRT in Feyzabad und Kundus; auf das Provincial Advisory Team (PAT) in Taloqan; auf den Strategische Lufttransportstützpunkt in Termez (Usbekistan); Abkommandierungen von deutschen Soldaten in das ISAF Hautquartier, die Schule für Kraftfahrer und Mechaniker in Kabul etc..
Nach eigener optimistischer Schätzung blieben dann noch max. rund 800 - 1000 deutsche SoldatenInnen übrig die zur Verfügung standen, um unter Berücksichtigung des Schichtbetriebs(!) an sieben Tagen der Woche tatsächlich operative Aufgaben wahrzunehmen, die annähernd dem eigentlichen Auftrag dienen: „Unterstützung der vorläufigen Staatsorgane Afghanistans und ihrer Nachfolgeinstitutionen bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit, so dass sowohl die afghanischen Staatsorgane als auch das Personal der Vereinten Nationen (inkl. ISAF) und anderes Zivilpersonal (insb. solches, das dem Wiederaufbau und humanitären Aufgaben nachgeht) in einem sicheren Umfeld arbeiten können, und Sicherheitsunterstützung bei der Wahrnehmung anderer Aufgaben in Unterstützung des Bonner Abkommens.“
Wenn man sich diese Erkenntnis vor Augen führt, dann wird einem schlagartig vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan und der damit verbundenen Herausforderungen der deutschen SoldatenInnen vor Ort klar: Dieser Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist im Ergebnis ein politischer Papiertiger!
Denn das, was diese wenigen deutschen Soldaten tatsächlich operativ im militärischen Sinne ihres Auftrages (friedenserzwingender Einsatz) erreichen können, ist ob der aktuellen eskalierenden Bedrohungslage durch die Taliban faktisch Null!
Würde man aus dieser Feststellung nun Rückschlüsse auf das weitere Vorgehen ziehen, müsste man konsequenterweise seitens der politischen Führung sagen: Die bisherige Strategie für Afghanistan ist gescheitert; der politische Traum, durch Waffeneinsatz den Wiederaufbau erfolgreich begleiten zu können, ausgeträumt; das Kontingent der Bundeswehr ist unverzüglich zurückzuziehen!
Nur dieses würde weder den in Afghanistan eingesetzten deutschen Soldaten gerecht, die sich mit größtem Einsatz der übertragenen schweren Aufgabe stellen, und es wäre unverantwortlich gegenüber der afghanischen Bevölkerung, der man sich mit dem Bundeswehreinsatz gegenüber verpflichtet hat! (Und es würde ohne Frage einer Destabilisierung der gesamten Region Vorschub geleistet, die dann - durch die zwangsläufige Stärkung der radikal-islamistischen Kräfte - tatsächlich auch Rückwirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben könnte!)
Insoweit wäre es eigentlich ob der sich veränderten Lage in Afghanistan längst zwingend notwendig gewesen, seitens der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages – unter Einbindung der Öffentlichkeit – nunmehr die möglichen Handlungsoptionen zu diskutieren, das politische Ziel des Bundeswehreinsatzes neu zu definieren, eine neue angepasste schlüssige Strategie zu entwickeln und über die daraus folgenden Maßnahmen zu entscheiden!
Und hierzu wäre es mit Sicherheit sinnvoll, insbesondere die nicht-staatlichen Hilfsorganisationen in die Diskussion mit einzubeziehen, die seit Jahren ein Abkehr von der bisherigen Strategie gefordert haben; sich immer mit konstruktiven Vorschlägen dafür einsetzten, dass man am besten den Taliban die Basis des Rückhalts dadurch entziehen könnte, indem man endlich eine wirtschaftliche und politische Perspektive für die Bevölkerung schafft! Aber anscheiend war das für deutsche Politker zu schwer zu verstehen!?
Und welchen Vorschlag bringt nun ein Aussenminister Westerwelle: Ein „Aussteiger-Programm für Taliban“!
Ich bin (fast) sprachlos.....
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