Sommerbiwak: Keine Vuvuzelas gegen die Bundeswehr
Mit Tausenden Gästen will die 1. Panzerdivision am Samstag in Hannovers Stadtpark ihre jährliche PR-Party feiern. Die Polizei fürchtet um die Polizistenohren, die Demonstranten sollen deswegen leise sein.
"La Luna", der Mond, ist in diesem Jahr das Motto und die ausführende Eventagentur "Event It" verspricht den 6.000 geladenen Gästen nicht weniger als "eine faszinierende Nacht bei Europas schönstem Gartenfest". Zum 37. Mal lädt die 1. Panzerdivision der Bundeswehr am Samstag zu ihrem "Sommerbiwak" in den Stadtpark von Hannover ein. Promis und Politiker sollen mit den Soldaten feiern und damit, das ist der tiefere Sinn des Festes, der Bundeswehr demonstrativ den Rücken stärken.
Und wie jedes Jahr haben sich Kriegsgegner angekündigt, um das Propagandafest zu stören. Doch während die Heeresdivision und ihre Gäste es im streng abgeschirmten Park mit Blasmusik und Feuerwerk krachen lassen, sollen die Demonstranten strenge Lärmschutzauflagen erfüllen. Mit Blick auf die Sommerbiwak-Proteste prüft die Polizei "Lärmobergrenzen" für Demos. "Der Arbeitsschutz für die Beamten wird immer wichtiger", sagte Hannovers Polizeisprecher Stefan Wittke in einem Interview. Er erwarte "ohrenbetäubenden Lärm", weil es sich um die gleichen Demonstranten handele, die schon am 8. Dezember gegen das Adventskonzert der 1. Panzerdivision protestiert hatten. Damals hatten 100 Menschen in Sichtweite der Kirche demonstriert und mit "Schande, Schande, Mörderbande"-Rufen und Trillerpfeifen Krach gemacht.
Für Samstag plant ein Bündnis von Autonomen, Linkspartei, Friedensbewegung und Grüner Jugend unter anderem eine halbstündige Techno-Parade namens "Rave against War". Die Stadt hat ihnen zur Auflage gemacht, diese nach 15 Minuten für fünf Minuten zu unterbrechen, um die eingesetzten Polizisten nicht dem Risiko von Gehörschäden auszusetzen. Eine Dezibelbeschränkung gebe es jedoch weder für den Rave noch für die Redebeiträge auf dem Lautsprecherwagen. Allerdings dürfen die Bundeswehrgegner keine "nautischen Hörner", Vuvuzelas, "Geräte zur Erzeugung von Sirenentönen" oder Druckgasfanfaren mitführen. Ebenfalls verboten ist das "bewusste Erzeugen oder Übertragen von Rückkopplungs- oder Störgeräuschen". Vor allem aber müssen sie ihre Lautsprecher abstellen, wenn sie gegen 19 Uhr durch die Clausewitzstraße ziehen. Denn dann wird das Fest offiziell eröffnet - und das soll nicht gestört werden.
hat ihren Stabssitz in Hannover und besteht aus rund 21.000 Soldaten - fast ausschließlich Freiwillige.
Sie bildet das Kernelement der Interventionstruppen des Heeres und heißt deshalb inoffiziell auch "Division Eingreifkräfte".
1983 übernahm Hannover die Patenschaft für die über ganz Deutschland verteilte Division.
7.650 Soldaten der 1. Panzerdivision waren bisher in Kambodscha, Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, Mazedonien, Afghanistan und Kuwait im Einsatz.
"Dagegen haben wir in der Vergangenheit schon geklagt und Recht bekommen", sagt Dirk Wittenberg vom "Antimilitaristischen Aktionskreis Hannover" (AMAK). "Die 1. Panzerdivision ist die wichtigste Eingreiftruppe der Bundeswehr, ab 2011 ist sie sogar die Leitdivision für den Afghanistan-Einsatz." An ihr zeige sich der Paradigmenwechsel der Bundeswehr weg von der Landesverteidigung hin zu internationalen Kriegseinsätzen besonders deutlich. Angesichts des Bombardements von Kunduz oder der gerade bekannt gewordenen Todeslisten für Taliban gelte für das diesjährige Motto "La Luna" wohl "je blutiger der Krieg, desto romantischer das Fest". Der AMAK hat gegen die Lärmschutzauflagen Widerspruch eingelegt.
Das zum Demonstrieren das Krachmachen dazugehört findet auch die Polizeigewerkschaft GdP. "Natürlich ist es bei Demos oft laut und natürlich ist das für die Polizisten nicht gerade gesundheitsfördernd", sagt der stellvertretende niedersächsische GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilf. "Aber es ist klar, dass es zu Demos dazugehört, dass da auch mit Lautsprechern laut skandiert" werden könne. "Wir demonstrieren als Polizeigewerkschaft ja selber und machen das dann auch so." Starke Lärmschutzauflagen seien "natürlich eine Einschränkung des Demonstrationsrechts", sagt Schilf, die Kommunen im Einzelfall begründen müssen. Grundsätzlich müsse man bei Demos aber "eine gewisse Menge an Lärm über sich ergehen lassen - als Bürger und als Beamter".
Derweil ist die Polizei noch auf andere Weise mit der Bundeswehr-Party beschäftigt. Ende Juni hatten Unbekannte den Rosenpavillon im Stadtpark von Hannover angezündet. Der Pavillon wird beim Biwak als VIP-Bereich genutzt. Die Kripo lud daraufhin in den letzten Tagen eine Reihe von Personen vor, die in den letzten Jahren gegen die Bundeswehrfeier protestierten.
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