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■ Sommer in IslandMadam hat kein Image

Fünfte Lieferung unseres Urlaubskorrespondenten

Elisa ist einsam. Ich lernte sie in der Discothek Laugarvegur 22 kennen, dem Treffpunkt der Lesben und Schwulen in Reykjavik. Elisa heißt eigentlich Björgvon Elis Örlygsson, ist 24 Jahre alt und Islands einziger Transvestit. Aus ihrem zweiten Vornamen Elis hat sie „Elisa“ gemacht, und so nennt sie sich jetzt Elisa Afreösdottir.

Für ein Gespräch verabreden wir uns im „Reykjavik Lesbian and Gay Center“ an der Lindargata, einem kleinen Haus zwischen Stadtzentrum und Meer. Rings umher sind alle alten Häuser abgebaut und an anderen Stellen wieder aufgebaut worden, rundherum nichts außer einer Tankstelle und einem riesigen postmodernen Wohnhaus.

Elisa arbeitet im Café am Tresen. Ihr richtiger Job, erzählt sie, ist Haushälterin. Sie macht Hausbesuche bei alten, gebrechlichen Menschen, hilft dort im Haushalt, kocht, putzt und geht einkaufen. Ich erzähle von Charlotte von Mahlsdorf, die in ihrer Biographie auch vom Putzen und Haushaltsarbeiten schreibt und der Bundespräsident Weizsäcker das Bundesverdienstkreuz verliehen hat, allerdings nicht für's Putzen, sondern für ihre Verdienste ums Gründerzeitmuseum. Elisa möchte Charlotte unbedingt kennenlernen.

Dann frage ich sie, wann sie ihre transvestitischen Neigungen entdeckt habe. „Ich war acht Jahre alt und zog die High Heels meiner Mutter an. Damit wollte ich hurtig die Treppe hinunterrennen. Dabei brach ich mir den Knöchel. Aber deshalb weiß ich noch ganz genau, wann das war.“

Ihr zweites Coming-out hatte sie in einer Talkshow im isländischen Fernsehen. Dort erzählte sie allerlei über ihr Leben als Transvestit: „Es gibt manchmal Probleme mit Männern, die mich anmachen, aber nicht merken, daß ich keine Frau bin. Wenn die das aber mitbekommen, sind sie mehr schockiert als überrascht. Einer drohte mir sogar mit einem Messer!“ Und ihre Ähnlichkeit mit der jungen Shelly Winters, meiner Lieblingsschauspielerin? Elisa wehrt ab: „Das ist rein zufällig. Ich folge keinem Image und will niemand kopieren.“

Im täglichen Leben gebe es eigentlich nicht so viele Probleme, meint Elisa. Die Verkäuferinnen in der Abteilung für Damen-Unterbekleidung seien ausgesprochen freundlich zu ihr. Vor kurzem fuhr sie versehentlich in eine Einbahnstraße. Ein Polizist auf einem Motorrad stoppte sie: „Könnten Madam so freundlich sein und ihren Führerschein zeigen?“ Elisa daraufhin: „Madam wird das nicht tun! Madam ist ein Mann im Kleid!“ Der Polizist winkte ab: „Nicht mit solchen Tricks, bitte!“ Elisa zeigte ihren Ausweis: „Der Polizist war so verdattert, daß er mir keinen Strafzettel schrieb, er winkte mich einfach weiter.“ In ein paar Wochen macht sich Elisa selbständig. Sie eröffnet einen Kiosk mit Zeitschriften und Hot dogs im Stadtzentrum: „Aber auch Tampons und Kondome gibt es bei mir zu kaufen.“ Dann senkt sie ihre Stimme: „Vergiß nicht zu erwähnen, daß, wenn ein Transvestit nach Island kommt, er oder sie unbedingt bei mir vorbeikommen muß – vor der Gletschertour! Ihr könnt mir auch gerne schreiben oder etwas Schönes schicken. Ich habe Schuhgröße 41, und es ist verdammt schwer, hier so etwas aufzutreiben!“ Schreibt an: Elisa Afreösdottir, Reykjavik Lesbian and Gay Center, Lindargata 49.

Fortsetzung folgt

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