Somalia verbietet Fußball: Todesstrafe für WM-Gucker

Zwei Hinrichtungen, Dutzende Festnahmen, systematische Razzien: Wer im Herrschaftsgebiet der islamistischen Rebellen Fußball gucken will, riskiert sein Leben.

Verhaltene Begeisterung: Fußballfans in Mogadischu Bild: reuters

NAIROBI taz | Die Männer schlichen sich im Schutz der Dunkelheit in die Häuser von Freunden in Afgooye am Rand der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Es war Samstagabend, das Spiel Deutschland gegen Australien wurde angepfiffen. Der Ton war leise gestellt. Doch die islamistische Miliz Hizbul Islam ließ sich nicht täuschen. Kurz nachdem Lukas Podolski das erste Tor geschossen hatte, stürmten die schwerbewaffneten Männer in die Hütten und nahmen die dreißig WM-Fans fest. Ihnen drohen harte Strafen wegen "unmoralischen Verhaltens".

Denn während das restliche Afrika die erste WM auf heimischem Boden ausgelassen feiert, ist Fußballgucken fast überall in Somalia streng verboten. "Wir warnen alle Jugendlichen, keine WM-Spiele zu sehen", warnt Hizbul-Sprecher Sheikh Mohammed Abdi Aros. "Es ist Zeitverschwendung, verrückten Männern beim Auf- und Abspringen zuzusehen." Die islamistische Miliz al-Shabaab, die zusammen mit Hizbul Islam mehr als 95 Prozent des regierungslosen Südteils von Somalia kontrolliert, schwingt ähnliche Parolen. Ein besonders radikaler Arm der Shabaab im Juba-Flussdelta gab die Parole aus: "WM-Spiele halten die Jugend davon ab, im Dschihad zu kämpfen - deshalb werden wir jeden hart bestrafen, den wir dabei erwischen."

Es ist nicht das erste Mal, dass die an sich fußballbegeisterte somalische Nation eine Weltmeisterschaft verpasst. Vor vier Jahren zur WM in Deutschland hatten bereits die damals regierenden Islamischen Gerichtshöfe die öffentliche Ausstrahlung von Fußballspielen verboten. Mogadischus Kinos, in Wirklichkeit kleine Bretterverschläge mit einem Fernseher darin, wurden gestürmt und dem Erdboden gleichgemacht. Inzwischen sind die Islamisten gespalten, ein gemäßigter Flügel bildet eine völlig machtlose Regierung, die Radikalen kämpfen gegen sie und gehen noch härter vor. Seit Beginn der WM am Freitag sollen sie bereits mindestens zwei Zuschauer erschossen haben. Dutzende wurden verhaftet. Ab Mittags kontrollieren Patrouillen die Wohnviertel von Mogadischu auf der Suche nach Zuschauern. Die Verdächtigen sind leicht zu finden: Nur wenige Somalis besitzen eine Satellitenschüssel und den Generator, den man für die Stromerzeugung braucht.

Einzig Somalias relativ machtlose Übergangsregierung steht hinter den Fans. Doch die kontrolliert nur den internationalen Flughafen und einige wenige Straßenzüge von Mogadischu. Auf dem Flughafen errichtete am Wochenende der somalische TV-Sender Shabelle eine improvisierte Regie samt Sendemast. Die Journalisten waren mitten in der Nacht aus ihren Büros am Bakara-Markt, der von den Islamisten kontrolliert wird, geflohen.

"Die Menschen würden gerne die WM verfolgen, aber praktisch hat kaum jemand eine Chance", sagt Ali Yasin Gedhi von der Menschenrechtsorganisation Elman Peace Centre. "Ein paar arabische Pay-TV-Kanäle übertragen die Spiele, aber das kann sich kaum jemand leisten - und das letzte unzerstörte Kino K5 ist viel zu klein, um den Tausenden Platz zu bieten, die Interesse hätten." Manch ein Somali versucht deshalb trotz des Verbots, sich aus Altmetall eine improvisierte Satellitenschüssel zu basteln, aufgemotzt mit unter der Hand verkauften Elektronikbauteilen.

"Selbst wenn es ein Kino gäbe, es ist viel zu gefährlich, abends rauszugehen", sagt Ahmed, Vater von fünf Söhnen in Mogadischu. "Meine Söhne sollen die WM sehen, wenn sie schon nicht mehr Fußball spielen können." Denn auch Spielen haben die Islamisten verboten. Die Stadien, in denen früher Tausende ihren Teams zujubelten, sind längst zu Militärbaracken und Notlazaretten umfunktioniert.

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