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„Soll er doch in seinem Bunker sitzen“

■ Regierungsgebäude in Tiflis mit Granaten beschossen/ Georgische Opposition gegen Gamsachurdia wechselt Taktik: Vorläufig kein Sturm/ Erstes Asylangebot traf telegrafisch aus Armenien ein

Tiflis (ap/afp/dpa) — Immer stärker verbarrikadiert sich der georgische Präsident Swiad Gamsachurdia in seinem Regierungsgebäude in Tiflis. Unter keinen Umständen, so scheint es, will der Gestürzte seine Niederlage eingestehen. So kam es auch gestern nachmittag wieder zu undurchsichtigen Schießereien, bei denen das Gebäude in Brand geriet und von Rauchwolken umhüllt wurde. Ein Sprecher der georgischen Demokratischen Partei, Mamuka Georgadse, betonte jedoch, bei der Beschießung mit Granatwerfern handele es sich nicht um den Versuch einer Erstürmung des Regierungsgebäudes. Das Haus sei lediglich unter Beschuß genommen worden, nachdem Heckenschützen von dem Gebäude aus auf die umstehenden Häuser geschossen hätten.

Die bewaffnete Opposition gegen den georgischen Präsidenten hatte zuvor bekanntgegeben, es werde keinen Sturm geben. Um keine weiteren Menschenopfer zu riskieren, habe man die Taktik geändert und wolle jetzt ganz auf die Belagerung des Gegners bauen. Die Opposition warte darauf, daß Gamsachurdia selbst aufgebe und sich stelle. Eine Kraftprobe, die dazu dienen soll, den Diktator endgültig zu stürzen.

Auch mehrere führende Mitglieder der Opposition betonten am Samstag, daß in der nächsten Zeit nicht geplant sei, den Regierungssitz zu stürmen.

Dschaba Ioseliani, der Führer der Organisation Mchedrioni: „Ich habe unter Gamsachurdia elf Monate im Gefängnis gesessen. Soll er doch elf Monate in seinem Bunker sitzen, wenn er will. Es wird keine Erstürmung geben, solange sie nicht von den Anhängern Gamsachurdias provoziert wird.“

Unterdessen hat die von der Opposition gebildete provisorische Regierung damit begonnen, die Macht in ganz Georgien an sich zu reißen. Der Gesandte Georgiens in Moskau, Peter Tschcheidse, sagte am Sonntag, die provisorische Regierung habe bereits in mehreren Städten der Kaukasusrepublik die Präfekten Gamsachurdias gegen bevollmächtigte Vertreter der Opposition ersetzt. Swiad Gamsachurdias Mobilisierungsaufrufe seien ergebnislos geblieben. An der Spitze der Oppositionsregierung, der ein Militärrat unterstellt ist, steht der frühere Regierungschef Tengis Sigua. Chef des Militärrates ist der frühere Oberkommandierende der Nationalgarde, Tengis Kitowani.

Trotz all dieser Fakten gibt sich Gamsachurdia noch nicht geschlagen. Im Keller des Regierungsgebäudes, wo er sich verschanzt hat, forderte er gestern eine Volksabstimmung, die über sein Schicksal entscheiden sollte. Ein solches Referendum, so Gamsarchurdia, könnte unter der Aufsicht der UNO stattfinden. Falls alle Stricke reißen und er sich zur Flucht entschließen sollte, gibt es bereits Angebote aus benachbarten Republiken. So hat der armenische Präsident Lewon Ter-Petrossjan Gamsachurdia am Sonntag telegrafisch Asyl angeboten.

Auch die autonome Tschetschenische Republik ist bereit, dem Diktator zur Seite zu stehen. Sie will eine EIngreiftruppe für den Kaukasus aufstellen, die auch in Georgien eingesetzt werden könnte. Das „Internationale Menschenrechtskomitee“ der seperatistischen Republik, die sich im November von Rußland lossagte, habe dies entschieden, teilte der Informationsminister der Kaukasusrepublik, Mwladi Udugow, mit. Die Truppenstärke stehe allerdings noch nicht fest, sagte Udugow. Jedoch werde die Einheit in Georgien eingreifen, wenn die Führung in Tiflis darum bitte. Der tschetschenische Präsident Dschochar Dudajew, der sich im Oktober an die Macht putschte und anschließend in Wahlen bestätigen ließ, ist ein persönlicher Freund des georgischen Präsidenten.

Pläne ganz anderer Art hat derweil Jorge Bagration, Georgiens Thronprätendent. Der frühere Autorennfahrer und heutige FIAT-Direktor im südspanischen Marbella ist zur Rückkehr in seine Heimat bereit, „wenn sich das Volk für eine Monarchie auspricht“.

Der spanischen Zeitung 'El Mundo‘ sagte er in einem Interview: „Ich will nicht unbedingt König werden, aber wenn die Monarchie wiederkommt, werden wir da sein.“ Neben Jorge stellen auch seine Schwester Paz sowie sein Bruder Bagrat Ansprüche an den Thron.

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