: Solidarnosc setzt Ultimatum
■ Walesa kündigt Streik auf Danziger Lenin-Werft an / Neun Zechen lahmgelegt
Warschau (afp) - Die Arbeiter der Danziger Lenin-Werft haben die polnische Regierung gestern ultimativ aufgefordert, die verbotene Gewerkschaft „Solidarnosc“ bis Montag wieder zuzulassen, sonst würden auch die rund 10.000 Arbeiter der Werften in den Ausstand treten.
Das Arbeitsministerium hatte am Donnerstag den Streikenden ebenfalls ein Ultimatum gesetzt: bis Freitag sollten sie die Arbeit wieder aufnehmen, andernfalls würden Sanktionen, darunter auch Entlassungen, drohen. Das Ministerium erlaubte den bestreikten Betrieben, im Falle der Wiederaufnahme der Arbeit „ausnahmsweise“ auf Sanktionen zu verzichten.
Am Donnerstag hatte Walesa bereits erklärt, der Streik sei künftig „die einzig verbleibende Kampfmethode“, um die Regierung zu „wirklichen“ politischen und wirtschaftlichen Reformen - einschließlich der Einsetzung des gewerkschaftlichen Pluralismus - zu bewegen.
Die nationale Führung von „Solidarnosc“ (KKW) rief in einem gestern veröffentlichten Kommunique alle Arbeiter und Mitglieder der Gewerkschaftsorganisation auf, sich mit den Streikenden zu solidarisieren.
Währenddessen dehnten sich die Arbeitsniederlegungen im oberschlesischen Kohlerevier Südpolens weiter aus. Die Arbeiter in vier weiteren Zechen in Wodzislaw Slaski im Süden von Kattowitz sowie in den Braunkohlegruben in Sosnowiec schlossen sich am Donnerstag abend der Bewegung an und besetzten die Schächte. Damit ruht in insgesamt neun Bergwerken die Arbeit, wurde am Freitag von informierter Seite mitgeteilt; die insgesamt 30.000 Kumpel fordern nach wie vor neben Lohnerhöhungen, daß „Solidarnosc“ wieder legalisiert wird. Die oberschlesischen Kumpel haben ein gemeinsames Streikkomitee gegründet, um ihre „Kräfte zu einen“, hieß es.
Auch im nordpolnischen Stettin wurde ein überbetriebliches Streikkomitee gegründet. Der Hafenbetrieb ist durch den Streik vollständig erlahmt. Busfahrer und die Mechaniker der Stettiner Verkehrsgesellschaft wollen weiterhin die Arbeit nicht wiederaufnehmen; die Beschäftigten eines Straßenbahndepots haben sich den 3.000 streikenden Hafenarbeitern angeschlossen. Das gemeinsame Streikkomitee lehnt Verhandlungen mit der Geschäftsführung ab, nur mit General Jaruzelski persönlich wolle man verhandeln.
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