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Solidarische Ökonomie Bewegung in der Bewegung

Solikon und taz.zum wandel – Rückblick auf einen ereignisreichen Kongress und eine ungewöhnliche Zeitung.

Bild: taz

Die zivilgesellschaftlichen Bewegungen für ein alternatives Wirtschaften und soziale Transformation wachsen zusammen. „Konvergenz” war das zentrale Stichwort auf dem Kongress „Solidarische Ökonomie” (Solikon), der am Wochenende vom 10.-13. September in der Technischen Universität Berlin stattfand. Im Vorfeld brachte die taz im Rahmen einer „freundlichen Übernahme” die taz.zum Wandel heraus.

Rund 1000 Teilnehmer aus mehr als zwei Dutzend sozialen Bewegungen aus Deutschland und dem Ausland diskutierten in mehr als 100 Podien und Workshops über Fragen der Gemeinwohl-Ökonomie, Commons, fairer Handel, Transition Towns und feministische Ansätze. Die Berliner Solikon war das größte Treffen der Alternativökonomie seit der „Degrowth”-Konferenz in Leipzig 2014.

„Für mich wurde in Berlin deutlich, dass der Konvergenzprozess vorankommt”, sagte Christian Felber , österreichischer Gründer der „Gemeinwohlökonomie”. Die Bewegungen arbeiteten auf verschiedenen Ebenen mit dem gleichen Ziel grundsätzlicher Änderungen.

Die Bewegung macht Fortschritte

Für den weiteren Prozess sei es von Bedeutung, diese „Vielfalt zu respektieren” zugleich gemeinsame Perspektiven zu entwickeln, etwa in Richtung direkter Demokratie mit mehr Volksabstimmungen.

Auch Silke Helfrich, Vordenkerin der Gemeingüter-Bewegung, sah eine Dynamik, über stärkere Vernetzung der transformativen Szene einem künftigen „Konvergenzforum gemeinsamen Raum zu verschaffen”.

Bestimmte Diskussionslinien in Berlin, wie etwa zur weiteren Entwicklung der Sharing Economy, seien vor drei Jahren noch nicht möglich gewesen. „Es ist jetzt mehr Bewegung in der Bewegung”, so Helfreich.

Als nächstes „politisches Datum” gilt die Großdemonstration gegen das Handelsabkommen TTIP am 10. Oktober.

Veranstaltet wurde der Solikon-Kogress vom Netzwerk Solidarische Ökonomie, dem europäischen Wirtschafts-Netzwerk Ripess und dem Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin. Viele ausländische Teilnehmer brachten internationale Erfahrungen ein.

Der Staatssekretär für solidarische Ökonomie in der brasilianischen Regierung, Paul Singer, berichtete, wie die Verstärkung des Genossenschaftswesen sein Land in den 90er Jahren aus der Öl- und Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit geführt haben.

Der britische Wirtschaftsjournalist und Kapitalismuskritiker Paul Mason hob in seiner Eröffnungsrede des Kongresses hervor, dass die heutige Wirtschaftweise, beruhend auf der Ausbeutung von Natur und Menschen, keine Zukunft habe. „Die Transformation ist möglich”, sagte Mason. „Sie hat sogar schon begonnen”.

taz.zum Wandel

Die taz unterstützte den Solikon-Kongress mit einer Sonderausgabe (taz.zum wandel) am 5. September. Diese „freundliche Übernahme” lies allerdings manch taz-RedakteurIn ein wenig fürchten, wie es der koordinierende taz-Redakteur Reiner Metzger beschreibt. Zumal da „wirkliche Radikalinskis” kamen, wie Metzger sagt. „Kapitalimus überwinden, ohne Wachstum wirtschaften – die Linkspartei ist ja moderates Zeugs dagegen.”

Der Produktionstag selbst verlief dann aber doch ganz friedlich. Sehr viel war im Vorfeld geklärt worden – wenngleich auch sehr aufwändig. Schließlich produzierten Menschen eine Wochenzeitung, die sich oft vorher gar nicht kannten und auch überwiegend keine Journalisten sind. Und die diese Zeitung auch noch neu erfanden.

Andere Optik, ganze Doppelseiten mit optischem Streitgespräch, Praktiken zum persönlichen Wandel, Reportagen von schon funktionierenden Beispielen alternativer Ökonomie. Und viel mehr Text als schließlich auf die knapp 30 Seiten passte. Viel Stoff für Diskussionen also, aber die ÜbernehmerInnen erwiesen sich als echte Profis wenn es darum ging, einvernehmliche Entscheidungen zu treffen.

Das fertige Produkt, die Wandeltaz selbst, sorgte für reichlich kontroverse Reaktionen. So vermissten einige LeserInnen beispielsweise eine unabhängige, kritische Auseinandersetzung mit den Ideen der solidarischen Ökonomie in der Zeitung.

Zugleich gab es aber auch viel Lob und Wünsche nach einer Wiederholung oder Fortschreibung des Projekts in der taz. Ein Leser bezeichnete die taz.zum Wandel sogar als eine „der besten tazzen der letzten Jahre”.

Nach Aussage von Organisator Andreas Teuchert hat der Solikon-Kongress derweil zwei größere Vernetzungs-Aktionen der Solidarwirtschaft in der Region angestoßen. 

Konkrete Projekte angehen

So soll über den Einsatz von Lastenfahrrädern in der Stadt und Elektro-Lieferautos auf dem Land eine „andere Logistik” etabliert werden. Vernetzt würden auf diese Weise Höfe der solidarischen Landwirtschaft und neue Dorfläden in der Fläche.

Ebenfalls in Brandenburg sollen in einem „Allmende-Projekt” Bürger kleine Landparzellen (2000 qm) kaufen und sie Jungbauern für eine ökologische Landwirtschaft zur Verfügung stellen.

Damit soll dem fortschreitenden „Landgrabbing” durch Agro-Konzerne Einhalt geboten werden. Über die konkrete Realisierung will ein Treffen Ende November in Berlin beraten.

MANFRED RONZHEIMER