: „Soldaten sind Mörder“
Bundesregierung mobilisiert gegen Soldatenurteil ■ K O M M E N T A R E
Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder“, schrieb Kurt Tucholsky 1931 in der 'Weltbühne‘, und Reichswehrminister General Groener schäumte. Er ließ den 'Weltbühne'-Herausgeber Carl von Ossietzky dafür 1932 in Berlin vors Gericht zerren. Ossietzky wurde aber im ersten „Soldatenprozeß“ freigesprochen. Heute scheint dem Bundesverteidigungsminister Stoltenberg die Äußerung eines Arztes, der nur von „potentiellen Mördern“ spricht, ebenso suspekt und ehrenrührig wie vormals dem Reichswehrminister. Allein, 57 Jahre später haben die Militärs in aller Welt zur Genüge bewiesen, daß der Pazifist Tucholsky recht hatte, daß Soldaten millionenfach mordeten.
Militärs sind zum Morden da - darauf getrimmt, bei kriegerischen Auseinandersetzungen den Gegner physisch zu vernichten. Krieg, das ist der Zustand, in dem vermeintlich zivilisierte Staaten den Tatbestand der vorsätzlichen Tötung einfach außer Kraft setzen. In Friedenszeiten geächtet, wird der Mord im Krieg zur Tugend.
Stoltenberg und die Riege der Vaterlandsverteidiger vestecken sich nun hinter dem „Verteidigungsauftrag“ der Bundeswehr. Wer verteidigt, kann und will kein Mörder sein einfach ist das. Heute wie damals soll dem, der anderer Meinung ist, gerichtlich der Mund verboten werden.
Die Debatte ist aber auch aus anderem Anlaß mehr als ärgerlich. Als in Memmingen der Frauenarzt Theissen in einem Schauprozeß wegen illegaler Abtreibungen verurteilt wurde, löste der Richterspruch breite Empörung aus. Die Bundesregierung - allen voran Jusitzminister Engel hard - verwahrte sich heftigst gegen den vermeintlichen Eingriff in die Hoheit richterlicher Urteilsfindung. Dieselben sind es, die heute den Freispruch des Frankfurter Landgerichtes als Rechtsbeugung titulieren, eine Revision des Urteils verlangen. Am weitesten geht der Bonner Verteidigungsausschuß. Per Gesetzesänderung soll ein außerordentlicher Ehrenschutz für Bundeswehr und Soldaten im Strafrecht installiert werden. Geht es nach dem Willen dieser Herren, wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit der Bundeswehr geopfert. Tucholskys „Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder“ verliert indes nichts an Wahrheit.
Wolfgang Gast
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen