: Solarzentrum geht in Betrieb
Die ersten Mieter versuchen trotz des Baulärms im neuen Berliner Solarzentrum zu arbeiten. Der größte Teil des Heizbedarfs wird durch konventionelle Fernwärme gedeckt. Solarzellen sollen 60 Kilowatt leisten. Baukosten rund 55 Millionen Euro
Mit einem Meilenstein energiesparender Architektur wollten Verbände und Unternehmer die Welt von der Kraft der Sonne begeistern. Die Visionen waren so verlockend, dass politische Unterstützung und ein Investor schnell gefunden wurden.
Vor der Backsteinfassade in der Nähe des Ostbahnhofs im Berliner Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg tobt vierspurig der Durchgangsverkehr. Das frühere Magazin der Berliner Gaswerke schließt zur Straße hin den Innenhof des neuen Zentrums Zukunftsenergien Berlin/Internationales Solarzentrum (ZZB/ISZ). Neu errichtet wurden zwei grün verkleidete Seitenflügel und ein gläsernes Atrium am Ufer der Spree.
Stolz verkündet Martin Bucka, Projektmanager des Investors HPE, das komfortable Gebäude erfülle den „Niedrigstenergiestandard“. Um den erhofften geringen Verbrauch zu ermöglichen, wurden eine lange Liste von Technik geplant. Ein Kritiker, der sich jahrelang für die Verwirklichung des einst als „SolarCenter“ gepriesenen Bauwerks engagierte, nennt das Ganze einen „Energie-Bauchladen“.
Das verglaste Atrium dient als Wärmepuffer. Ein Viertel des Wärmebedarfs soll durch „Energiepfähle“ gewonnen werden. Der Neubau steht auf 220 acht bis zwölf Meter tiefen Betonstelzen im Grundwasser. Diese Pfähle nutzen die relativ konstante Wassertemperatur von rund zehn Grad zur Kühlung und zur Erwärmung des Gebäudes. Der größte Teil des Heizbedarfs wird durch konventionelle Fernwärme gedeckt. Eine Brennstoffzelle soll ein wenig mitheizen und etwas Strom produzieren.
Kühlung für den noch nicht vorhandenen Gastronomie- und Besprechungsbereich soll eine Kältemaschine bringen, die durch 140 Quadratmeter Sonnenkollektoren betrieben wird. Damit die riesigen Glasflächen im Sommer nicht zu einem Treibhaus-Klima führen, ist im ersten Obergeschoss versuchsweise der Einsatz von elektrochromen Scheiben geplant. Das Spezialglas ähnelt einer selbsttönenden Sonnenbrille. „Allerdings gibt es bei dieser Technik noch Kinderkrankheiten“, räumt der Projektmanager ein.
Der Stromverbrauch des ZZB/ISZ soll trotz Aufzügen möglichst gering sein. Sensoren in den Büros sorgen dafür, dass künstliches Licht nur bei fehlendem Tageslicht und der Anwesenheit von Nutzern zum Einsatz kommt. Den Planungen zufolge werden Solarzellen auf 900 Quadratmeter Dachfläche 60 Kilowatt leisten. Für die Photovoltaikanlage stehen zusätzliche 250.000 Euro Fördermittel zur Verfügung.
Wie weit diese Ausstattung tatsächlich funktionsfähig installiert und der geplante Energieverbrauch eingehalten wird, werden die kommenden zwei Jahre zeigen. Im Rahmen des SolarBau-Förder-Programms des Bundeswirtschaftsministeriums wird das ZZB/ISZ mit bundesweit über 20 Büro- und Gewerbegebäuden an einem Monitoring teilnehmen. Auf diese Weise wird erforscht, wie komfortable Gebäude mit minimalem Energiebedarf bei geringen Bau- und Betriebskosten verwirklicht werden können. Besonders interessant wird dabei der Vergleich mit Verwaltungsgebäuden, bei denen bereits in der Planungsphase die Zertifizierung nach dem Passivhausstandard als Ziel feststand.
Die Mieter des ZZB/ISZ könnten ihre Umzugskisten packen und einziehen. Der Andrang hält sich jedoch in Grenzen. Die Initiatoren und die vorrangige Zielgruppe für den geförderten Teil des Gebäudes sind zwar kleine und mittelständische Unternehmen aus der Branche der erneuerbaren Energien – viele können sich die Miete in dem Bau jedoch nicht leisten.
Als einer der Ersten zog das „Forum für Zukunftsenergien“ in das vorab fertig gestellte Pförtnerhaus. Alles und jeder, der im deutschen Energiesektor Rang, Namen und Macht hat, ist in dem Verein vertreten. Von Industriekonzernen über die Gewerkschaften, die Politik bis zur Forschung. Dazu gehören auch die Verbände der Atom- und Braunkohlen-Industrie. Da die Vereinigung den sparsamen Umgang mit Energie als Ziel nennt, zahlt sie – trotz der enormen wirtschaftlichen Potenz ihrer Mitglieder – lediglich die subventionierte Miete.
Als weiterer Nutzer der geförderten Flächen ist ein Architekturbüro auf 400 Quadratmetern eingezogen. Der berlin-brandenburgische Landesverband der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) hat ebenfalls 400 Quadratmeter gemietet. Die DGS hat das Veranstaltungsmanagement übernommen. Die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft nutzt 200 Quadratmeter. Neben weiteren mehr oder weniger ökologisch orientierten Mietern wie Panasonic und einem Fertighaushersteller scheint das ZZB/ISZ vor allem für PR-Agenturen attraktiv zu sein.
Eines steht bereits jetzt fest: Auch wenn für große Teile des Energieforums in absehbarer Zeit keine Nutzer gefunden werden sollten, haben die Subventionen Wirkung gezeigt: Von den rund 1,1 Millionen Quadratmetern der in Berlin leer stehenden Büroflächen werden die Schreibstuben an der Spree den geringsten Energieverbrauch haben. Trotz allem ist Ingenieur Dieter Uh – der sich jahrelang für ein internationales Solarzentrum eingesetzt hat – optimistisch: „Auch Kinder, die eine schwere Geburt hatten, können groß werden.“
STEFAN KNOBLICH