Solarbranche: Und wächst und wächst und wächst
Die Finanzbranche entdeckt die Solarwirtschaft: Die Börsenkapitalisierung sichert die Expansion. Ex-Minister Trittin ist für die Senkung der Einspeisevergütung.
Die Deutsche Solarindustrie hat ihre Produktion im vergangenen Jahr um 50 Prozent gesteigert. Damit wuchsen die deutschen Firmen doppelt so schnell wie ihre ausländischen Konkurrenten. Nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) wurden allein im letzten Jahr 220.000 Solaranlagen im Wert von 5 Milliarden Euro in Deutschland neu installiert.
Auch jenseits der Grenzen brummt das Geschäft: Die Deutschen Zellenproduzenten steigerten ihren Anteil am Weltmark auf über 50 Prozent. Dies entspricht einem Exporterlös von einer Milliarde Euro. Der Trend wird absehbar auch weiter anhalten. Allein für dieses Jahr erwartet die Branche ein Anziehen der Exportumsätze auf rund 1,5 Milliarden Euro, bis 2012 sogar eine Verfünffachung. 2007 und 2008 entstehen hierzulande 15 neue Solarfabriken und bis zu 10.000 neue Solartechnik-Arbeitsplätze. Damit besitzt Deutschland die größte Dichte an solaren Produktions- und Forschungsstätten weltweit.
"Schuld" am Boom ist nach einer am Mittwoch vorgestellten Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young das Vertrauen der Finanzbranche in den Wirtschaftszweig. "Der Kapitalmarkt mit seiner hohen Finanzierungsbereitschaft setzt auf den Erfolg der deutschen Unternehmen", urteilt Robert Seiter von Ernst & Young. Der Untersuchung zufolge ist 2007 auf dem Kapitalmarkt mit einer Verdreifachung der angelegten Finanzmittel im Vergleich zu 2006 zu rechnen - auf dann 1,2 Milliarden Euro.
Auch die Commerzbank registriert ein deutliches Anziehen der Wachstumsfinanzierung. "Eine entscheidende Voraussetzung für Zukunftsinvestitionen ist die angemessene Kapitalausstattung der Unternehmen", sagt Joachim Treder vom Commerzbank-"Center of Competence Renewable Energies". Allerdings ist der Boom noch nicht selbsttragend: "Wir sind immer noch in der Pionierstrecke am Anfang des Weges", warnt Carsten Körnig, BSW-Solar-Geschäftsführer.
In zehn Jahren soll die Photovoltaik konkurrenzfähig sein. "Ohne Förderung, ohne verlässliche Rahmenbedingungen werden wir das nicht schaffen", so Körnig. Die Branche gehe von Preissenkungen von 5 bis 6 Prozent im Jahr aus. Demnächst steht eine Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) an. Jürgen Trittin, zu dessen Zeit als Bundesumweltminister das Gesetz auf den Weg gebracht worden war, plädiert inzwischen für eine stärkere Absenkung der Einspeisevergütung für Photovoltaik. "In der Branche wird im Moment regelrecht abgezockt", sagte Trittin am Dienstag auf einer Veranstaltung von taz und dem Verband Unternehmensgrün. Während bei Offshore-Windanlagen, Kraft-Wärme-Kopplung und Biomasse eine höhere Vergütung nötig sei, seien bei der Photovoltaik "die Kosten schneller gesunken als erwartet", sodass eine stärke Degression möglich sei. Genau davor warnt hingegen die Commerzbank. "Dass die Branche auf dem Kapitalmarkt so attraktiv ist, liegt am Cashflow", begründet Joachim Treder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!