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Sodomie: Die Verführung der Europa.Ausstellung im Kunstgewerbemuseum

Wenn man zwischen Sodomie und Zoophilie unterschiede, dann würde erstere vielleicht in das „Reich der Notwendigkeit“ gehören und letztere in das „der Freiheit“. Vor der Aufklärung wurde beides als Frevel wider den göttlichen Schöpfungsplan denunziert (ab dem 12. Jhdt. auch als solcher strafrechtlich verfolgt). Seit Kant, der für sodomistische Vergehen die Todesstrafe forderte, sah man dabei vor allem „die Menschenwürde gröblich verletzt“ (für die derzeitige Strafwürdigkeit ist jedoch eher der Schutz von „Wehrlosen Kinder, Frauen und Tiere“, §223b StGB, ausschlaggebend).

Zwar wußten die humanistisch Gebildeten des 19. Jhdts. zu schätzen, daß sich einst Leda mit einem Schwan, Ganymed mit einem Adler, Europa mit einem Stier und Semiramis, laut Plinius, mit einem Pferd gepaart hatten, aber desungeachtet wurde 1869 im sog. „Virchow-Langebeck-Gutachten“ die „Unmöglichkeit einer fruchtbaren Vermischung von Mensch und Tier wissenschaftlich außer Frage gestellt,“ womit „vom medizinischen Standpunkt aus“ die Gründe für die strafrechtliche Verfolgung der Sodomie entfielen. Aus polizeypolitischen Gründen werden im gleichen Zeitraum aber zunehmend „sodomitische Delikte“ registriert.

In den Gerichtsunterlagen bis ins 20. Jhdt. hinein rangiert dabei an erster Stelle das Pferd als Objekt der Begierden. Gottfried Benn nannte schon das Freizeit-Reiten „Sodomiterei als Rasensport“, junge Reiterinnen erleben vielfach auch heute noch ihre „ersten sexuellen Sensationen“ (Tiefheimer) hoch zu Roß.

Während jedoch die Wertschätzung und erotische Besetzung des Pferdes weiterhin stieg - ausgehend vom Militär (vgl. dazu die Studie von Wulffen über Rolle und Funktion der „Regimentsstute“ bei der Armee und des „Kommandantenkamels“ bei der Fremdenlegion) - wurde zugleich die Sodomie als Relikt des Rückständigen ins „Ländliche“ hinein territorialisiert - bis heute (laut Kinsey-Report haben 40 -50% aller Farmjugendlichen irgendwann einmal „Tierkontakt“ gehabt, weswegen derartige sexuelle Praktiken auch nur von der Stadtbevölkerung „scharf verurteilt“ werden).

Bei Jäger ist die Sodomie gar ein „bukolisches Äquivalent zur urbanen Masturbation“. Allerdings werden mit der Zeit die zur Anzeige gebrachten Fälle immer erbärmlicher: „Der 1894 geborene Kleinhäusler und Maurer Josef hatte frühzeitig geheiratet und sechs Kinder gezeugt. Er verlangte von seiner Frau, daß sie ihm auf Wunsch auch mehrmals am Tag zur Verfügung stehe und verging sich während ihrer durch Unterleibsleiden bedingten Spitalaufenthalte in den Jahren 1927-31 zu wiederholten Malen völlig wahllos an seinen Kindern, Ziegen und Gänsen“. Der in seinem Buch „Verirrungen“ von Krafft-Ebbing geschilderte Fall eines „30jährigen Hühnerschänders von hohem Stand“ dürfte eine seltene Ausnahme gewesen sein. Er hatte sich mit dem „Hinweis auf seine kleinen Genitalien verteidigt, die ihm den Verkehr mit Frauen ganz unmöglich machten“. Vielleicht war seine Erklärung zur Sache aber auch nur Spätrationalisierung eines allzu frühen „Zoophilen“?

Mittlerweile hat sich auf alle Fälle eine ausgeprägte Haustier-Kultur („Pet-Culture“, R.Semper) herausgebildet, die einhergeht mit einer grundlegenden Veränderung der Beziehungmodelle - vom scharfen Hundeführer zum intelligent Hündischen, wenn man sich die neueren Motivverknotungen der bildenden Künstler ansieht. (Natürlich wird es auch weiterhin nazimuffsaure Schäferhundvereine, am Potsdamer Platz etwa, geben, aber die Leitbilder kommen aus Kalifornien und Brasilien und zeigen vornehmlich braunhäutige Psychologinnen mit stahlblauen Delphinen, immerhin erwähnt aber Nancy Friday in ihrem Buch „Die sexuellen Phantasien der Frauen“, daß über die Hälfte der Befragten noch Phantasien mit Hunden hat).

Die real praktizierte Zoophilie dürfte am Verbreitetsten bei den quasi berufsmäßig mit Tieren befaßten sein - bei Tierschützern, Tierfilmern und Tierpflegern etwa. Bei letzteren geht diese Neigung oft mit einer gewissen Menschenfeindlichkeit einher. Pauly erwähnt in seiner Biographie den emeritierten Zoologen Stekel, der seit seiner frühesten Jugend zoophil war: „Noch heute ist es sein größtes Vergnügen, im Prater auf einem Holzpferd zu reiten“.

Zoophile wechseln selten die Tierart, behauptet Grassberger. Auch Nietzsche bewahrte zeitlebens eine starke Zuneigung zu Pferden, obwohl er als junger Mann durch einen Sturz von einem scheuenden Pferd verkrüppelt wurde. 1889 umarmte er in Turin weinend einen Droschkengaul, weil der Kutscher es geschlagen hatte.

Die Zoophilen würden dem philosophischen Umwerter zustimmen: „Jedes Lebewesen ist mit dem Menschen auf der gleichen Stufe der Vollkommenheit“.

In seinem Buch „Der neue Klapperstorch“ referiert G. Amendt einige Ergebnisse neuerer Genforschungen. Sie legen nahe, daß es in absehbarer Zeit möglich sein wird, die großen erotischen Mythen der Antike tatsächlich zu realisieren: Die Existenz des Minotaurus, der Zentauren und anderer vielleicht noch entzückenderer Mischwesen - rückt in greifbare Nähe. Aber noch sind das alles schüchterne zoophile Zukunftsvisionen. H. v. Hentig erwähnt in seiner umfangreichen Monographie „Zoophilie“ einen Fall, wo bereits „das ausgesprochene Tiergesicht der Hausfrau ein wenn auch kärglicher Ersatz war“.

Helmut Höge

Die Verführung der Europa. Ausstellung im Kunstgewerbemuseum.

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