: So viel Kultur war nie
Frisch und modern soll es sein, das neue TV-Kulturmagazin „Stilbruch“ des Rundfunks Berlin Brandenburg. Ab heute jeden Donnerstag (22.15 Uhr)
von RAINER BRAUN
Nach dem gemeinsamen Vorabend erhält nun auch ein Teil der Primetime der fusionierten Anstalt ein einheitliches Gesicht. Komplett umgestaltet wird das gesamte Abendprogramm für die Zweiländeranstalt im Februar nächsten Jahres.
Bis in den schwarzen Lackboden, den Moderator Ulf Kalckreuth nur mit Puschen betreten darf, verströmt die neue Studio-Dekoration urbanen Chic und Übersichtlichkeit. Dem soll in gewisser Hinsicht auch der Inhalt des neuen, 30-minütigen Magazins entsprechen.
Um auch ein jüngeres Publikum anzusprechen, ist der Kulturbegriff weit gesteckt. In der heutigen Premieren-Ausgabe soll sich ein aktueller Beitrag zur Diskussion um das Holocaust-Mahnmal ebenso wiederfinden wie ein Bericht über Schokoladentrends. Auf feste Rubriken will die Redaktion um Gabriele Conrad und Dagmar Mielke bewusst verzichten, gefragt ist der originelle Zugriff auf Themen und die etwas andere Erzählweise. Ergänzt wird das Konzept mit Tipps und – wo es sich thematisch anbietet – mit Gästen im Studio.
ZuschauerInnen in Berlin und Brandenburg könnten sich also glücklich schätzen, so sie denn kulturinteressiert sind. Denn so viele Angebote in diesem Segment hat derzeit kein anderes Drittes im Programm.
Schließlich laufen neben „Stilbruch“ (jeweils donnerstags um 22.15 Uhr) noch die SFB-Gründungen „Ticket“ und das Kinomagazin „Movie“ im RBB Berlin. Der RBB Brandenburg lädt 14-tägig zum Besuch und Verweilen in der „Querstraße“. Ab Februar ist dann mit dem opulenten Angebot allerdings Schluss: Im Zuge der Programmreform werden die traditionellen Formate von SFB und ORB ersatzlos eingestellt. Während über eine Talkshow zur Kultur und ein kleines Büchermagazin noch nachgedacht wird, ist an die Neuauflage einer Kinosendung nicht gedacht.
Bis dahin hat auch „Stilbruch“ Zeit, sich der notwendigen Resonanz und Aufmerksamkeit im Sendegebiet zu versichern. Angepeilt sind doch eher bescheidene Marktanteile um fünf Prozent, was der Mannschaft um den neuen Hauptabteilungsleiter Johannes Unger durchaus zuzutrauen ist. Denn der ehemalige Chefredakteur des ORB hat sich seinen Ruf in der Branche auch damit erworben, dass er ungeachtet knapper Ressourcen ein gutes Händchen für interessante Stoffe („Roter Stern über Deutschland“) und AutorInnen (Ulrich Kasten) hat.
Er hofft darüber hinaus, dass der RBB künftig auch ein größeres Gewicht als bisher (nur schlappe drei Ausgaben pro Jahr) in der Kulturberichterstattung der ARD erhält.
Die Chancen für einen Neuanfang der Kulturberichterstattung im RBB-Fernsehen stehen auch deshalb nicht schlecht, weil der Abschied von den alten Formaten nur notorischen Westberlinern schwer fallen dürfte. Während die chronisch unterfinanzierte „Querstraße“ auch mit Quoten am Rande der Messbarkeit zu kämpfen hatte, konnte Wilfried Rott zumindest auf sein Stammpublikum zählen. Das wiederum sah auch gerne zu, wenn der Österreicher – wie zuletzt – mit sichtlichem persönlichem Genuss über die Bibel, Kochbücher und Wiener Schnitzel philosophierte.
Dass dies sehr viel mit dem Faible des Moderators und nur sehr bedingt mit dem Kulturleben in einer Metropole zu tun hat, stand stets auf einem anderen Papier.