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So geht eine UN-KonferenzBummeln und pokern

Bernhard PötterDer Conferencier

Wer schon immer mal sehen wollte, wie ein UFO landet, sollte eine UN-Konferenz besuchen. Für ein bis zwei Wochen schweben Tausende Diplomaten, Aktivistinnen und Journalisten in mehr oder weniger überforderte Städte ein. UN-Polizisten in blauen Uniformen übernehmen die Hoheit über den Veranstaltungsort. Der Verkehr bricht zusammen. Wo das Gewühl auf den Straßen ohnehin die Hölle ist, merkt das aber keiner. Die Delegierten mit ihren wichtigen „Badges“, den Konferenzausweisen, treiben kurzfristig die Hotelpreise hoch, genießen je nach Arbeitswut das touristische Angebot oder schlaflose Verhandlungsnächte und ernähren sich dabei von schlappen Sandwiches. Wenn der Caterer ein Problem mit der Hygiene hat, liegt die Konferenz mit Magen-Darm-Virus darnieder.

Eine UN-Konferenz kommt einer Weltregierung am nächsten. Und wer ein paar dieser Konferenzen erlebt hat, der weiß auch: Eine Weltregierung würde nicht funktionieren.

Denn entweder ist das Ergebnis – wie jetzt in Quito – bereits vorher auf den allerkleinsten gemeinsamen Nenner eingedampft worden. Oder die Konferenz hat – wie etwa bei den Klimaverhandlungen – tatsächlich ein bisschen was zu entscheiden. Dann spiegelt sie in ihrer Basisdemokratie eine Gerechtigkeit vor, die es nicht gibt. Swasiland hat so viele Stimmen wie China, haha. Aber erst wenn auch Swasiland zustimmt – oder zumindest nicht laut widerspricht –, können nach zwei durchverhandelten Nächten alle nach Hause gehen.

Die Delegierten bummeln nämlich in den ersten zehn Tagen gern rum, streiten sich über technische Details, die sich am Ende in Luft auflösen. Aber zwischendrin müssen sie ihrem Gegenüber erst noch vorwerfen, mit dem Kapitalismus die Welt zu ruinieren oder durch die Hintertür den Kolonialismus wieder einzuführen.

Dann, am Donnerstag der zweiten Woche, gibt es einen Aufstand, eigentlich egal von wem. Spiegel Online schreibt dann: „Die Konferenz steht vor dem Scheitern.“ Statt die Sitzung am Freitagabend nach Hause zu schaukeln, wird bis Samstagnacht gepokert.

Also alles Quatsch? Keineswegs. UN-Konferenzen haben großen Wert: Sie rufen Themen ins Bewusstsein (zurück). Sie geben Swasiland eine Stimme. Sie bringen Menschen zusammen, die weltweit an Lösungen arbeiten. Sie verabschieden windelweiche Papiere, auf die aber die Regierungen zu Hause festgenagelt werden können. Sie schaffen ein Bewusstsein für globale Probleme und globale Lösungen. Dass dafür Tausende von Leuten das Klima durch Flüge aufheizen – nicht schön. Aber für jedes lausige Spiel der Champions League sind mehr Leute in der Luft.

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