: So geht SM
SM-Konstellationen verstehen sich als Rollenspiele, deren Regeln vorher ausgehandelt werden. Eine Session ist ein solches zeitlich begrenztes SM-Spiel. Wesentlich seltener sind Beziehungen, die fix, das heißt auf 24 Stunden an sieben Tagen der Woche angelegt sind, sie nennen sich 24/7.
Grundlage eines SM-Settings ist eine klare hierarchische Rollenverteilung: Top oder Bottom, dominanter oder submissiver, aktiver oder rezeptiver Part. Andere Bezeichnungen wären master/slave, daddy/boy, domina/dominus, sklave/sklavia, dog/trainer oder pony/trainer. Die Namen wechseln je nach Szene (homo oder hetero) und nach der Ausrichtung des Spiels. Manche SM-Praktizierende vertreten immer nur die eine Rolle. Wer beide Rollen einnimmt, nennt sich switch; die mentale Verfassung in der devoten Rolle wird auch als im Slavespace sein umschrieben.
Sadomasochismus ist zuweilen ritualisiert und arbeitet oft – aber nicht notwendig – mit Fetischen, also lustbesetzten Körperteilen oder Gegenständen wie Leder, Uniform, Stiefel, Korsagen. Exhibitionismus und Voyeurismus sind ein nicht unwesentlicher Teil der SM-Kultur. Die Formen der SM-Spiele sind sehr individuell und können kleinen Inszenierungen gleichen. Es kommen Gesten der Unterwerfung zum Einsatz (Knien, Liegen, In-der-Ecke-Stehen, Schuheputzen, Turnübungen) und/oder Techniken zur Schmerzerzeugung.
Dies sind Flogging: Schlagen mit weichen Gegenständen (einer mehrstriemigen Peitsche zum Beispiel, dem „Flogger“), oder Spanking: Schlagen mit harten Gegenständen (einem Rohrstock, dem in der Form an ein Lineal erinnernden „Paddle“ oder mit der bloßen Hand). Bondage ist eine Kunstform des Fesselns. Letztlich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, Kerzenwachs kann zum Einsatz kommen oder Wäscheklammern, auch kneifen, kratzen und beißen sind erlaubt, wenns gefällt. Da es bei SM um eine Auseinandersetzung mit Tabus geht, macht er auch vor Schmutz, Schlamm, Urin oder Kot nicht halt, solche Techniken heißen „dirty“.
„Blutige Spiele“ sind Ritzen mit Klingen, Setzen von Nadeln oder eben Piercing, eine auch aus herkömmlichen Zusammenhängen wohl bekannte Art, Schmuck in bzw. unter der Haut anzubringen. Fisten bezeichnet die Penetration des Anus oder der Vagina mit der ganzen Hand. Auch dies ist eine (Sexual-)Praktik, die nicht nur Sadomasochisten kennen. Viele der im SM eingesetzten Techniken kommen auch in herkömmlichen Betten und Beziehungen vor. Der wesentliche Unterschied ist die bewusste Form der Inszenierung mit klar zugeteilten Rollen und die Steigerung der körperlichen und/oder psychischen Empfindung bis zur jeweils ausgehandelten Grenze.
SM-Sessions können privat oder auch (halb-)öffentlich auf organisierten Partys stattfinden. Aus dem experimentellen, spielerischen Umgang ergibt sich für SM-Praktizierende häufig eine veränderte Einstellung zu Beziehung, Monogamie und Eifersucht. Eine wesentliche Grundlage des SM-Settings ist Verhandlung. Über Rollen, Grenzen, Wünsche, Ängste, Vorlieben und Abneigungen wird meist vorher gesprochen. Auf SM-Partys, aber auch im privaten Bereich, gelten Codeworte, die, ausgesprochen, sofort zum Anhalten oder Abbruch des Spiels führen. Es wird empfohlen, als Codeworte nicht gerade „Aua“ oder „Nein“ zu wählen.
Die öfter verwendete Abkürzung BDSM versucht, alle Vorlieben der SM-Subkultur unter einen Begriff zu bringen, sie steht für bondage/discipline; dominance/submission und sadomasochism. Egal wie die einzelnen Vorlieben auch gelagert sind, es gibt für sie eine Grundregel: Es soll „safe, sane and consensual“ zugehen, also auf Sicherheit bedacht (inclusive safer-sex), nicht gesundheits- oder psychisch schädigend und mit Zustimmung aller Beteiligten. Diese Regel soll schützen und lässt sich auch als ethischer Maßstab heranziehen, wenn es allzu hoch hergeht bei Lüsten welcher Art auch immer.
Literaturtipp: Kathrin Passig, Ira Strübel: „Die Qual der Wahl. Handbuch für Sadomasochisten und solche, die es werden wollen“. Hamburg 2003, Rowohlt, 352 Seiten, 8,90 Euro AR