Snookerspieler Ronnie O'Sullivan: Mistgabel gegen Queue getauscht
Die Snooker-Weltmeisterschaft steht an und Ronnie O'Sullivan ist dabei. Fast ein Jahr Pause hatte sich der mehrfache Weltmeister zuletzt gegönnt.
SHEFFIELD/MÜNCHEN dpa | Für sein Comeback hat sich der englische Snookerspieler Ronnie O'Sullivan die bedeutungsvollste Bühne seines Sports überhaupt ausgesucht. Im Crucible Theatre von Sheffield startet der 37-Jährige an diesem Samstag den x-ten Neustart seiner außergewöhnlichen Karriere. Freilich nicht bei irgendeinem Aufbauturnier, sondern beim Saisonhöhepunkt: der Weltmeisterschaft.
Fast ein Jahr Pause hatte sich der Snookerstar zuletzt gegönnt. Nicht aus Kalkül, sondern mehr aus der spontanen Idee heraus, mal was anderes machen zu wollen, als mit dem Queue in der Hand die Gegner zu beherrschen. Im Mai vergangenen Jahres, direkt nach seinem vierten WM-Titel, trat O'Sullivan mit einem Mal zurück. Er verbrachte mehr Zeit mit der Familie – und, als ihm langweilig wurde, machte der Millionär zeitweise gar ein Praktikum auf einem Bauernhof.
Statt adretter Snooker-Abendgarderobe mit weißem Hemd, Weste, Fliege und Stoffhose trug O'Sullivan auf einmal alte Gummistiefel. Er mistete Ställe aus, kümmerte sich um Schafe, Kühe und Schweine. „Mir war immer so langweilig, ich brauchte ein Ziel, um morgens aus dem Bett zu gehen“, meinte er damals. Eine Rückkehr in seinen Sport ließ der Stallarbeiter ein Dreivierteljahr lang offen, ehe er Tatsachen schuf. Zur WM ohne deutsche Beteiligung ist er jetzt wieder da, als Titelverteidiger darf er automatisch starten.
Ernst wird es für O'Sullivan gleich zum Auftakt am Samstag (pdf), wenn er um 11 Uhr Ortszeit in Runde eins auf den schottischen Durchschnittsspieler Marcus Campbell trifft. Schon im Achtelfinale aber droht ein Match gegen Allister Carter, den O'Sullivan noch vor einem Jahr im Finale mit 18:11 bezwungen hatte.
Räumt er den aus dem Weg, könnten am Ende der Weltranglistenerste Mark Selby kommen. Der 29-Jährige ist hochgradig motiviert: Bereits im jungen Snookeralter kann sich Selby ein Denkmal setzen. Ihm winkt die Triple Crown – nämlich innerhalb einer Saison die drei wichtigsten Turniere zu gewinnen. Zwei Siege hat O'Sullivans Landmann schon, im Dezember 2012 holte er die UK Championship, im Januar das Masters in London. Die WM fehlt. Noch.
Fehlende Wettkampfpraxis
Was O'Sullivans Gegner ihm allesamt voraushaben, ist zweifellos die ständige Wettkampfpraxis. „Ich werde ein bisschen eingerostet sein. Matchpraxis kann man nicht ersetzen. Das wird eine riesige Herausforderung für mich“, musste er zugeben, als er in einem Londoner Nobelhotel im Februar sein Comeback ankündigte. Seine Begründung damals: „Mir wurde es eben zu langweilig.“
Es ist nicht O'Sullivans erste Rückkehr, genauso wenig war der Abschied im vergangenen Jahr eine Premiere. Das Leben des Ronnie O'Sullivan ist geprägt von Ups und Downs, von Lebenskrisen und Stimmungsschwankungen. Umso kurioser, dass der Schlagzeilenmensch trotz aller persönlicher Rückschläge fast im Vorbeigehen zum stärksten Snookerprofi seit dem siebenmaligen Weltmeister Stephen Hendry aufstieg, dass er sich den Spitznamen „The Rocket“ verdiente.
Mit acht Jahren schon besiegte er Erwachsene, obwohl er denen einen horrenden Punktevorsprung einräumte. 2001 wurde der Mann der Extreme erstmals Weltmeister – und fiel dann in eine tiefe Depression. Schuld: Vor allem die Vergangenheit, die geprägt war von Drogen, Alkoholexzessen und dem Drama um seine Eltern, die zwischenzeitlich beide im Knast saßen, der Vater wegen Mordes.
„Man kann vereinsamen beim Snooker“, sagte O'Sullivan einmal. 25 Jahre alt war er erst, als er bereits alles hinschmeißen wollte. „Vielleicht fasse ich nie wieder ein Queue an“, meinte er – und kehrte doch immer wieder zurück. Damals zum ersten Mal, jetzt zum vorerst letzten Mal.
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