piwik no script img

Slutwalk in HamburgVereint gegen Sexismus

In Hamburg protestierten 1.000 Menschen gegen sexualisierte Gewalt und die Verharmlosung von Vergewaltigungen. Wiederholung im nächsten Jahr ist angedacht.

Kreativ, bunt und laut: Der Slutwalk setzte ein Zeichen gegen Sexismus. Bild: dpa

Erst waren es nur 350 Menschen, die sich am Samstagnachmittag am Hauptbahnhof zum ersten Slutwalk, auf Deutsch "Schlampenmarsch", in Hamburg versammelten. Doch bis zur Abschlusskundgebung an der Sternschanze kamen immer mehr DemonstrantInnen hinzu, so dass die VeranstalterInnen von insgesamt gut 1.000 Protestierenden ausgehen.

"Vor der Veranstaltung hatten wir die Sorge, dass der Hamburger Slutwalk in eine bunte Party ausartet", sagt Mitorganisatorin Anna Rinne. Tatsächlich setzten die DemonstrantInnen mit kreativen Transparenten und Sprechchören ein deutliches politisches Zeichen gegen Sexismus, sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungsmythen.

Die DemonstrantInnen, von denen letztlich nur ein kleiner Teil in freizügiger Kleidung protestierte, kamen aus unterschiedlichsten Gruppen, als Paare oder einzeln, um ihren Zorn zu zeigen. "Ich bin über Facebook auf den Slutwalk aufmerksam geworden.

Auf so eine Möglichkeit habe ich schon lange gewartet", sagt die 24-jährige Sandra. Sie demonstrierte gemeinsam mit ihrem Freund Markus. Auch er wollte ein Zeichen setzen: "Ich will zeigen, dass heterosexuelle Männer genauso gegen Sexismus sein können, wie alle anderen auch", sagt er.

Als SprecherInnen traten beim Hamburger Slutwalk neben den OrganisatorInnen diverse Hamburger Einrichtungen auf. Sybille Ruschmeier von der Beratungsstelle "Notruf" für vergewaltigte Frauen machte darauf aufmerksam, dass in Hamburg nur etwa ein Zehntel der Vergewaltigungen zur Anzeige gebracht werden.

Bei 262 Strafanzeigen wegen Vergewaltigung seien im letzten Jahr in Hamburg nur 26 Sexualstraftäter verurteilt worden. "Wir arbeiten seit Jahren daran, die Leute aufzurütteln", sagte Ruschmeier. "Der Slutwalk ist ein neuer Weg, der insbesondere die jungen Menschen anzusprechen scheint".

Petra Schlesiger vom ersten Autonomen Hamburger Frauenhaus sieht das ähnlich. "Der Slutwalk bietet uns die Möglichkeit, deutschlandweit Farbe zu bekennen", sagte sie. Für sie ist die Demonstration außerdem eine wichtige Plattform, um auf die schwierige Situation der Frauenhäuser in Hamburg aufmerksam zu machen. "Wir brauchen unbedingt mehr Plätze", forderte sie.

Unter den PassantInnen, die beim Anblick der DemonstrantInnen häufig etwas länger brauchten, um den Mund wieder zu schließen, war neben vereinzelten diskriminierenden Kommentaren auch viel Akzeptanz und Unterstützung zu hören. "Ich finde es wichtig, dass die jungen Menschen auf die Straße gehen. Wir haben bei Kachelmann und Strauss-Kahn gesehen, wie schwierig die Situation für betroffene Frauen ist", meinte eine ältere Zuschauerin.

Der Hamburger Slutwalk soll keine einmalige Aktion bleiben. "Wir können uns gut vorstellen, dass daraus eine regelmäßige Veranstaltung wird", sagte Mit-Organisatorin Anna Rinne. "Unabhängig davon geht der Kampf gegen Sexismus mit diversen Aktionen weiter." In zwei Wochen findet eine "Slutwalk-Afterparty" in der Druckerei im Gängeviertel statt. Dort soll auch über die Zukunft des Slutwalks in Hamburg diskutiert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • E
    eric

    Ich frage mich, inwieweit der völlig berechtigte Kampf gegen sexualisierte Gewalt völlig ernst gemeint ist. Im Fernsehen sieht man ständig, wie Männern in die Hoden getreten wird, während das als total witzig dargestellt wird. In praktisch jedem Krimi und Drama sind Männer die egoistischen, gewissenlosen Schweine, die alles und jeden kaputtmachen. Und wenn Frauen (ausnahmsweise) die Täterinnen sind, geschieht das stets in Reaktion auf Grausamkeiten durch Männer. Daß Männer die Mehrheit der Gewalttäter stellen, weiß jeder. Aber es gibt auch eine andere Sphäre als die offene Gewalt.

     

    Bezeichnenderweise werden Frauen außerdem in einer ständigen Opferrolle gezeigt, bar jeder Autonomie und Stärke. Irgendwie empfände ich das, wäre ich eine Frau, durchaus als demütigend.

     

    Der Begriff der Gewalt sollte vielleicht etwas weiter begriffen werden.

  • V
    Verwirrt

    @Anna Rinne

     

    Danke für die Antwort. Ich habe mehrere Vergewaltigungserfahrungen hinter mir. Ich habe sie auch angezeigt. Passiert ist nichts.

     

    Es tat mir gerade während des Strafverfahren gut, zu wissen, dass es da einen höheres Wesen gibt, der mich beschützt und der die Wahrheit weiß - egal was der Richter sagt. Jemand, der bei mir ist.

     

    Ich habe die Vergewaltigungen angezeigt. Gerechtigkeit habe ich nicht bekommen. Ich kämpfe momentan drum, dass Opfer auch vom Staat mehr Unterstützung und Verständnis bekommen können.

     

    Denn wir leben in einem Rechtsstaat. Dazu stehe ich. Ich will den Rechtsstaat nicht abschaffen. Aber ich will, dass der Rechtsstaat opferfreundlicher wird.

     

    Aber gerade dieser Kampf, Opferanliegen an verantwortlichen Politiker und Juristen rüber zu bringen, ist sehr mühsam. Ich habe in diesem Jahr schon vieles unternommen, musste aber auch dabei vieles einstecken. Zumal die meisten, die das Anliegen wichtig finden, nach einer Zeit merken, dass das Thema sehr kompliziert und spezifisch ist, und mir abwenden.

     

    Zu Patriachat: es war bei mir eine StaatsanwältIN, die im Urteil die entwürdigtigsten Begründungen schrieb (die auch faktenmäßig nicht ganz stimmte). Insgesamt habe ich merkwürdigerweise bei Männern viel mehr Verständnis gefunden als bei Frauen.

  • AR
    Anna Rinne

    Der Satz von mir in dem Artikel ist aus dem Kontext gerissen. Ich habe das in Bezug auf die Fremdwahrnehmung des SlutWalks gesagt! Es kommt in dem Artikel so rüber, als würde ich unterstellen, die Teilnehmenden würden die Botschaft durch ihre Teilnahme nicht rüberbringen können. Ich hatte vielmehr die Befürchtung, dass Medien und Außenstehende Sexismus wiederholen, die Teilnehmenden wieder von außen zu objektivieren anstatt sie zu hören, und das ernste politische Anliegen des SlutWalks nicht aufnehmen und wiedergeben.

     

    Zu dem Kommentar von "Verwirrt": An einer Demonstration nehmen ganz unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Weltanschauungen teil. Ich sehe allerdings in dem Slogan keinen Widerspruch zum Anliegen des SlutWalks. "Kein Gott" ist ein Hinweis auf eine Religionskritik - wieviel Homophobie, Abtreibungsgegnerschaft und Antisemitismus wird unter dem Berufen auf einen Gott betrieben (siehe mehr dazu hier http://whatthefuck.blogsport.de/), der Staat trägt durch seine Gesetze und seine Organe wie die Polizei (ich erinnere nur an den Auslöser des ersten SlutWalks, nachzulesen auf slutwalktoronto.com, slutwalkhamburg.blogsport.de oder maedchenmannschaft.net) zu seiner Festigung von Sexismus und der verharmlosung sexualisierter Gewalt bei. Warum auf so einer Demo die Abschaffung des Patriarchats gefordert wird muss wohl nicht weiter erklärt werden.

  • V
    Verwirrt

    Initiativen gegen Vergewaltigung begrüße ich.

     

    Aber was haben Anti-Papst-Reden und Slogans wie "kein Gott, kein Staat, kein Patriachat" bei einer Demo gegen Vergewaltigung zu tun?

     

    Die Schwierigkeit bei Vergewaltigung liegt darin, dies vom Staat als solche anerkannt zu werden.

     

    Deshalb aber gleich den Staat abschaffen?

  • E
    eric

    Ich frage mich, inwieweit der völlig berechtigte Kampf gegen sexualisierte Gewalt völlig ernst gemeint ist. Im Fernsehen sieht man ständig, wie Männern in die Hoden getreten wird, während das als total witzig dargestellt wird. In praktisch jedem Krimi und Drama sind Männer die egoistischen, gewissenlosen Schweine, die alles und jeden kaputtmachen. Und wenn Frauen (ausnahmsweise) die Täterinnen sind, geschieht das stets in Reaktion auf Grausamkeiten durch Männer. Daß Männer die Mehrheit der Gewalttäter stellen, weiß jeder. Aber es gibt auch eine andere Sphäre als die offene Gewalt.

     

    Bezeichnenderweise werden Frauen außerdem in einer ständigen Opferrolle gezeigt, bar jeder Autonomie und Stärke. Irgendwie empfände ich das, wäre ich eine Frau, durchaus als demütigend.

     

    Der Begriff der Gewalt sollte vielleicht etwas weiter begriffen werden.

  • V
    Verwirrt

    @Anna Rinne

     

    Danke für die Antwort. Ich habe mehrere Vergewaltigungserfahrungen hinter mir. Ich habe sie auch angezeigt. Passiert ist nichts.

     

    Es tat mir gerade während des Strafverfahren gut, zu wissen, dass es da einen höheres Wesen gibt, der mich beschützt und der die Wahrheit weiß - egal was der Richter sagt. Jemand, der bei mir ist.

     

    Ich habe die Vergewaltigungen angezeigt. Gerechtigkeit habe ich nicht bekommen. Ich kämpfe momentan drum, dass Opfer auch vom Staat mehr Unterstützung und Verständnis bekommen können.

     

    Denn wir leben in einem Rechtsstaat. Dazu stehe ich. Ich will den Rechtsstaat nicht abschaffen. Aber ich will, dass der Rechtsstaat opferfreundlicher wird.

     

    Aber gerade dieser Kampf, Opferanliegen an verantwortlichen Politiker und Juristen rüber zu bringen, ist sehr mühsam. Ich habe in diesem Jahr schon vieles unternommen, musste aber auch dabei vieles einstecken. Zumal die meisten, die das Anliegen wichtig finden, nach einer Zeit merken, dass das Thema sehr kompliziert und spezifisch ist, und mir abwenden.

     

    Zu Patriachat: es war bei mir eine StaatsanwältIN, die im Urteil die entwürdigtigsten Begründungen schrieb (die auch faktenmäßig nicht ganz stimmte). Insgesamt habe ich merkwürdigerweise bei Männern viel mehr Verständnis gefunden als bei Frauen.

  • AR
    Anna Rinne

    Der Satz von mir in dem Artikel ist aus dem Kontext gerissen. Ich habe das in Bezug auf die Fremdwahrnehmung des SlutWalks gesagt! Es kommt in dem Artikel so rüber, als würde ich unterstellen, die Teilnehmenden würden die Botschaft durch ihre Teilnahme nicht rüberbringen können. Ich hatte vielmehr die Befürchtung, dass Medien und Außenstehende Sexismus wiederholen, die Teilnehmenden wieder von außen zu objektivieren anstatt sie zu hören, und das ernste politische Anliegen des SlutWalks nicht aufnehmen und wiedergeben.

     

    Zu dem Kommentar von "Verwirrt": An einer Demonstration nehmen ganz unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Weltanschauungen teil. Ich sehe allerdings in dem Slogan keinen Widerspruch zum Anliegen des SlutWalks. "Kein Gott" ist ein Hinweis auf eine Religionskritik - wieviel Homophobie, Abtreibungsgegnerschaft und Antisemitismus wird unter dem Berufen auf einen Gott betrieben (siehe mehr dazu hier http://whatthefuck.blogsport.de/), der Staat trägt durch seine Gesetze und seine Organe wie die Polizei (ich erinnere nur an den Auslöser des ersten SlutWalks, nachzulesen auf slutwalktoronto.com, slutwalkhamburg.blogsport.de oder maedchenmannschaft.net) zu seiner Festigung von Sexismus und der verharmlosung sexualisierter Gewalt bei. Warum auf so einer Demo die Abschaffung des Patriarchats gefordert wird muss wohl nicht weiter erklärt werden.

  • V
    Verwirrt

    Initiativen gegen Vergewaltigung begrüße ich.

     

    Aber was haben Anti-Papst-Reden und Slogans wie "kein Gott, kein Staat, kein Patriachat" bei einer Demo gegen Vergewaltigung zu tun?

     

    Die Schwierigkeit bei Vergewaltigung liegt darin, dies vom Staat als solche anerkannt zu werden.

     

    Deshalb aber gleich den Staat abschaffen?