: Slalom in der Sierra
Eine Alpine aus Andalusien: María José Rienda, 30, will heute eine Medaille im Riesentorlauf gewinnen
Spanierin und Medaillenfavoritin bei den Winterspielen – das gibt es. Es geht um die Skifahrerin María José Rienda. Die 30-jährige Sportlerin aus Andalusien gilt als Anwärterin auf eine Medaille im Riesenslalom. Viele trauen der charmanten Südspanierin sogar Gold zu.
Riendas langer Weg an die Weltspitze im Riesenslalom begann mit neun. Ihre Eltern hatten eine Arbeit in den 2.000 Meter hoch gelegenen Apartmentblocks im südspanischen Skigebiet Sierra Nevada unweit von Granada angenommen. In der Schule stand fortan Skifahren statt Turnen auf dem Programm. Und wenn die Kleine nachmittags gelangweilt zu Hause herumhing, wurde sie auf die Piste geschickt. Das anfänglich ungewöhnliche Element wurde ihr bald vertraut. Die junge María José war kaum mehr von ihren Brettern zu trennen. Die Trainer der Jugendnationalmannschaft wurden auf sie aufmerksam. Mit 14 trug Rienda erstmals die spanische Fahne am Anorak.
Vier Jahre später nahm sie erstmals an einen Weltcup-Abfahrtslauf teil. „Ich wurde 56., sieben Sekunden hinter der Siegerin“, erinnert sie sich an ihr Debüt. „Das war der erste und letzte Abfahrtslauf in meiner Karriere.“ Rienda wechselte zum Riesenslalom. Dort ging’s besser. Sie landete auf Platz 21.
Doch der Durchbruch ließ noch auf sich warten. 2003 stieg Rienda im österreichischen Sölden erstmals aufs Siegertreppchen. Vier weitere Siege folgten, der letzte im deutschen Ofterschwang Anfang des Monats. María José Rienda tritt damit endgültig in die Fußstapfen der einzigen Spanierin, die vor ihr beim Skifahren Aufsehen erregt hat: Blanca Fernández-Ochoa mit vier Weltcup-Siegen und einer Bronze-Medaille im Slalom bei den Spielen 1992. Rienda ist eine Selfmade-Frau in einem Land, in dem die meisten Sportarten kaum gefördert werden.
„In Spanien zählen nur Fußball, Radsport und Formel 1“, beschwert sich Rienda. Dabei sind gerade im Skisport potente Sponsoren nötig. In Spanien gibt es keine Gletscher zum Trainieren. Die Skifahrer von der iberischen Halbinsel müssen dazu die Reise in die Alpen antreten oder gar in den argentinischen Winter fliegen. Fünfzig Tage im Schnee müssen für das Sommertraining ausreichen. Den Rest verbringt sie im Höhentrainingslager in der Sierra Nevada.
Jetzt, da es um Gold geht, wird plötzlich auch die spanische Presse auf die bisher nur Insidern bekannten Skifahrerin aufmerksam. Rienda, die bei der Eröffnungsfeier in Turin die spanische Fahne trug, mag den Presserummel nicht. Deshalb hat sie sich „irgendwo in den Alpen“ eingemietet. „Niemand, nicht einmal mein Mann oder meine Mutter wissen, wo ich bin“, erklärte sie in einem der wenigen Interviews gegenüber der spanischen Presseagentur Efe.
Nur einmal tauchte sie kurz auf, um am Super-Ski der Frauen teilzunehmen. 37. wurde die Spanierin. „Mir liegen die schnellen Diziplinen einfach nicht“, erklärte Rienda anschließend gegenüber der Presse. Die Teilnahme habe sie genutzt, um sich mit der Wettkampfsituation vertraut zu machen. So hält sie es bisher auf Anraten ihres Tessiner Trainers Mauro Pini auch beim Weltcup.
„Ich bin in einer guten Form“, zeigt sich Rienda optimistisch. Die Strecke in Sestriere, auf der sie Gold einfahren könnte, liegen ihr aus zwei Gründen: Die Spanierin fährt am liebsten auf hartem, vereistem Schnee, wie er ihr aus der sonnenverwöhnten Sierra Nevada vertraut ist. Und es war in Sestriere, wo ihr erstmals mit 21 Jahren bei einem Weltcup-Rennen der Sprung unter die ersten zehn gelang. REINER WANDLER