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FrauenhandelSklaven-Dasein

■ Zwangsprostituierte in Bremen: Angst und Gewalt bestimmen ihren Alltag

Sie sind schlecht ernährt, von Drogen gezeichnet, durch häufige Schwangerschaftsabbrüche unfruchtbar. Wenn Mitarbeiterinnen vom „Projekt Appartementarbeit“ des Gesundheitsamtes Bremen Frauen besuchen, die zur Prostitution gezwungen werden, treffen sie auf Opfer in einem meist völlig desolaten körperlichen und psychischen Zustand. Wenig Schlaf, Gewalt, mangelnder Schutz vor Aids oder Hepatitis – das Leben der Betroffenen gleicht einem Sklavendasein.

Die Appartements sind meist nicht größer als 20 Quadratmeter. Hier wohnen, schlafen und arbeiten die Frauen, rund um die Uhr. Von dem Geld, das sie bekommen, müssen sie eine horrende Miete, Anzeigen und Zuhälter bezahlen. Skrupellose Kriminelle haben sie mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt. Dafür müssen die meistens aus Osteuropa eingeschleusten Frauen teuer bezahlen. Erpressung kommt dazu. Falls kein Geld fließt, werde die Familie im Herkunftsland umgebracht, lautet die Drohung.

In der Hansestadt gibt es etwa 250 so genannte „Modelwohnungen“, in denen 18- bis 25-jährige Frauen zur Prostitution gezwungen werden, berichtet die Kripo Bremen. „Die meisten sind nach ein paar Monaten so krank und vom Alkohol zerstört, dass sie ausgetauscht werden“, ergänzen die Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes. Fast alle ausländischen Prostituierten seien in einer solchen Zwangslage.

„Wenn es echte Hilfsangebote gibt, wird sich zeigen, wie viele Opfer von Frauenhandel wir hier in Bremen haben“, meint Jutta Schmidt, die Frauenbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie verweist darauf, dass auch die Zahl der obdachlosen Frauen in Bremen erst bekannt wurde, als es eine Anlaufstelle für sie gab. „Hier fehlt dringend eine Beratungsstelle für Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen.“ Erst kürzlich versprach Innensenator Bernt Schulte (CDU) Hilfe für die Betroffenen: durch Prävention in den Herkunftsländern sowie eine Sonderkommission der Kripo und Zeugenschutz.

„Ein Ansatz, der in die richtige Richtung geht“, lobt Schmidt. Aber es fehlten finanzielle Mittel, langfristig gesicherte Stellen und dringend benötigte Notaufnahme-Wohnungen. Das Projekt müsse mit Beratungs- und Hilfsstellen vernetzt werden. „Für die traumatisierten Frauen muss es etwas geben unterhalb des Zeugenschutzprogrammes“, betont Schmidt.

Viele Prostituierte haben Angst vor einer Abschiebung und arbeiten deshalb nicht mit der Polizei zusammen. In ihrer Heimat werden sie als unrein verstoßen. Andere werden von den Schlepperorganisationen gleich nach ihrer Abschiebung am Flughafen abgefangen und zurückgebracht. Dann landen sie wieder im selben Appartement in der gleichen Zwangssituation. Alice Bachmann (epd)

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