Skispringerin über Olympiateilnahme: "Ich fühle mich nicht diskriminiert"
Magdalena Schnurr sieht es nicht so dramatisch, dass skispringenden Frauen vorerst noch die olympischen Weihen verwehrt bleiben.
taz: Es sieht nicht gut aus für Sie, Frau Schnurr. Frauen dürfen nächstes Jahr in Vancouver wohl nicht Skispringen. Sind Sie sehr enttäuscht?
Magdalena Schnurr: Ich habe damit gerechnet, dass wir in Vancouver nicht springen dürfen. Für mich ist das nicht so schlimm. Ich bin ja erst 17 und in vier Jahren noch jung genug, um dann bei Olympia in Sotschi dabei sein zu können. Vielleicht ist es sogar besser so.
Warum besser?
Weil wir uns jetzt alle noch vier Jahre weiterentwickeln können und 2014 dann kein so großer Unterschied zwischen Frauen und Männern zu sehen sein wird, wie es manchmal jetzt noch der Fall ist. Ich denke, dass das Frauen-Skispringen in vier Jahren noch schöner und attraktiver sein wird.
Derzeit ist es nicht attraktiv?
Doch, schon auch, aber eben nicht bei allen Springerinnen, sondern nur bei einem kleinen Teil. In vier Jahren aber wird es bestimmt mehr Springerinnen geben, die über eine saubere Technik verfügen und weiter springen können. Das macht es dann auch für die Zuschauer spannender und attraktiver. Deshalb ist es meiner Meinung nach kein Fehler, noch vier Jahre zu warten.
Magdalena Schnurr
ist 17 Jahre alt, stammt aus dem badischen Bühlertal und ist amtierende Skisprung-Junioren-Weltmeisterin. Vergangene Woche, bei den als Mattenspringen ausgetragenen deutschen Meisterschaften der Seniorinnen in Garmisch-Partenkirchen, wurde Schnurr Sechste. Im Jahr zuvor hatte sie noch den Titel geholt.
Das Gericht hat gesprochen, die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) steht erst einmal: Frauen dürfen auch bei den Olympischen Winterspielen nächsten Februar in Vancouver nicht Ski springen. Die mit ihrem Antrag gescheiterte Gruppe von 15 Skispringerinnen aber wird das Urteil anfechten und hat am Freitag angekündigt, Widerspruch einzulegen. Das Oberste Gericht der kanadischen Provinz British Columbia hatte zwar eine Diskriminierung der Sportlerinnen allein wegen ihres Geschlechtes anerkannt.
Allerdings hatte Richterin Lauri Ann Fenlon keinen Bruch der kanadischen "Charta der Rechte und Freiheiten" erkennen können, wie von den Klägerinnen geltend gemacht. Weder das kanadische Organisationskomitee Vanoc noch die kanadische Regierung hätten Kontrolle über olympische Veranstaltungen. Das IOC spricht den Skispringerinnen die olympische Reife ab und lehnt deren Aufnahme in das Olympiaprogramm ab. Außerdem, so das IOC, erfülle die Disziplin nicht das formelle Olympia-Zulassungskriterium, mindestens zwei Weltmeisterschaften veranstaltet zu haben.
Dann können Sie die Entscheidung des IOC verstehen?
Zum Teil schon. Man hat ja bei der WM-Premiere diesen Februar in Liberec gesehen, dass es im Prinzip nur zehn Frauen sind, die derzeit um die vorderen Plätze kämpfen können. Zum Rest dahinter klafft ein großes Loch. Viele sind einfach noch nicht gut genug ausgebildet, um technisch sauber und weit springen zu können. Wenn es mal 20 oder 30 Frauen sind, die weit springen, dann wird es erst richtig interessant. Dann ist es auch ein Wettkampf, der Olympischen Spielen gerecht wird.
Hinzu kommt, dass beim Skisprung eine schlechte technische Ausbildung die Sturzgefahr erhöht. Bei der WM beispielsweise sind zwei junge Tschechinnen schwer gestürzt.
Eigentlich ist Skispringen nicht viel gefährlicher als Fußballspielen. Die beiden tschechischen Mädchen aber, die bei der WM gestürzt sind, hatte man vorher noch bei keinem anderen Wettkampf gesehen. Die sind mehr oder weniger aus dem Nichts aufgetaucht - und waren dann deutlich überfordert. Solchen Zwischenfällen sollte man in Zukunft einen Riegel vorschieben, egal wie.
Sie hatten sich der Klage vor einem kanadischen Gericht, die Skispringerinnen bei Olympia zuzulassen, nicht angeschlossen. Warum nicht?
Als die Klage auf den Weg gebracht wurde, war ich erst 15 oder gerade mal 16 Jahre alt und auch noch nicht so erfolgreich. Da sollte man sich dann doch besser zurückhalten.
Die zuständige Richterin kam in ihrem Urteil zu der Auffassung, dass der Ausschluss des Frauenskispringens von den Spielen 2010 diskriminierend sei und den Klägerinnen die Olympiateilnahme aus keinem anderen Grund als ihrem Geschlecht verweigert werde. Sie stellte aber auch fest, dass die Organisatoren keine staatliche Behörde seien und deshalb der Bürgerrechtscharta nicht unterworfen sind. Was sagen Sie zu dieser Urteilsbegründung?
Das ist halt Juristensprache.
Fühlen Sie sich diskriminiert?
Eigentlich nicht. Ich sehe das jedenfalls nicht so dramatisch.
Aber Sie haben mit Vorurteilen zu kämpfen?
Klar heißt es manchmal, uns Skispringerinnen würde das Fliegerische fehlen und auch die Kraft, weshalb wir nur weit springen könnten, weil wir zehn Luken über den Männern starten. Aber mein Gott, als junge Skispringerin wächst man mit solchen Sprüchen auf. Damit muss man leben.
Um wie vieles leichter hat es ein Junge, der Skispringer werden möchte, im Gegensatz zu einem Mädchen?
Ich weiß gar nicht, ob es die Jungs leichter haben. Wenn die sich beispielsweise für eine Junioren-WM qualifizieren wollen, müssen sie sich schon im Vorfeld gegen viel mehr Konkurrenten durchsetzen, als das bei mir der Fall war und immer noch ist. Dafür ist es als Junge einfacher, Sponsoren zu finden.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Frauenskispringen und Olympia?
Ich denke, dass wir in Sotschi auf jeden Fall dabei sind. Wir werden in den kommenden vier Jahren so große Fortschritte machen, dass das IOC gar keine andere Wahl hat, als uns in Russland springen zu lassen.
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