Skeptische Solidarität in Ramallah: "Mit Seele und Blut für dich, Palästina"
Die Fatah demonstriert im Westjordanland Solidarität mit PLO-Chef Abbas, der die Uno-Mitgliedschaft beantragen wird. Es gibt aber auch skeptische Stimmen in Palästina.
RAMALLAH taz | Etwas skeptisch sieht der legendäre PLO-Chef Jassir Arafat auf seinen Nachfolger Mahmud Abbas herunter. Ob das so richtig ist, wie der Palästinenserpräsident das macht, scheint sich Arafat auf dem riesigen Plakat im Zentrum Ramallahs zu fragen. Zu seinen Füßen versammelten sich am Mittwoch einige tausend Anhänger der Fatah, um Abbas ihre Solidarität auszudrücken, wenn er am Freitag UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Antrag auf volle UNO-Mitgliedschaft für Palästina überreicht.
"Das Volk braucht die Freiheit", riefen die von Trommeln begleiteten Sprechchöre und: "Mit Seele und Blut für dich, Palästina." Der Demonstrationszug kam von der Mukata, dem Präsidentensitz, wo auch das Mausoleum Arafats ist. In geordneten Reihen bewegten sich die überwiegend jungen Demonstranten mit der palästinensischen Flagge und gedruckten Spruchbändern, die ein Ende der Besatzung, "Freiheit" und einen "Staat" forderten, ganz unaufgeregt durch die Stadt.
Zu Auseinandersetzungen kam es nur am Grenzkontrollpunkt Kalandia. Ein paar Dutzend halbwüchsige Palästinenser wagten sich bis auf einige Meter an die Trennanlagen vor und warfen Steine. Die Soldaten reagierten mit Tränengas und schrillen Sirenen, um sie zurückzutreiben. Um Reibungen zwischen Israelis und Palästinensern zu vermeiden, finden die offiziellen Proteste fernab von militärischen Kontrollpunkten und Siedlungen statt.
"Wir brauchen unseren Staat", sagt die 29-jährige Asna Auwwad. Sie versteht nicht, warum die USA dem Wunsch der Palästinenser nicht nachkommen. "Obama darf kein Veto gegen die Aufnahme Palästinas in die Vereinten Nationen einlegen." Die amerikanischen Dollar, die in die Region fließen würden, wollten die Palästinenser nicht, sagt sie. " Wir wollen unsere Freiheit."
Staat Nr. 194
Quer über dem Jassir-Arafat-Platz hängen Palästina-Fähnchen, Plakate mit dem Schriftzug "Palästina in die UN", "Staat Nr. 194" und Bilder von Mahmud Abbas. Hunderte Plastikstühle wurden über Nacht vor einer provisorischen Bühne aufgestellt. Eine junge Frau, Tochter eines Selbstmordattentäters, spricht zunächst von "Solidarität für Abbas" und ruft dann unter dem Jubel der Menge zum "palästinensischen Kampf" auf.
Wenn Abbas in New York scheitern sollte, dann habe auch der Osloer Friedensprozess seine Gültigkeit verloren, warnt ein anderer Redner. Hier hat der Palästinenserpräsident die Sympathien hinter sich, wobei eine Gruppe von Abiturienten, die nur aus Neugierde gekommen sind, auf Distanz zum Plan der PLO geht. "Abbas sollte es nicht tun", sagt einer der jungen Männer. "Wenn wir Palästina auf der Landkarte eintragen können, heißt das noch lange nicht, dass wir unabhängig sind", murrt er.
Die 25-jährige Dunia Jarrar, Musiklehrerin am Konservatorium Al Kamandjati sieht das ähnlich. Die Anerkennung Palästinas als Staat habe vorerst nur eine symbolische Bedeutung, erklärt sie, denn auch nach der Staatsgründung, "ändert sich nichts an unseren Problemen". Die Besatzung werde fortgesetzt, die Teilung zwischen Hamas und Fatah deshalb nicht beigelegt, und die israelischen Siedler blieben auch dort, wo sie sind.
Als über die Lautsprecher die ersten Töne der palästinensischen Hymne angestimmt werden, legt sich eine Wehmut über die Menschen, die sich sehr wohl im Klaren darüber zu sein scheinen, dass der Weg zum eigenen Staat noch längst nicht zu Ende ist. Ernst schwenken die jungen Fatah-Aktivisten ihre Fahnen hin und her. Von Euphorie ist in Ramallah keine Spur.
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