: Skellefteas Boomsport
■ Der erste Weltmeister heißt Schweden: Kein Wunder – Hallenbandy ist dort sehr in
Stockholm (taz) – Hallenbandy ist eine Mischung aus Landhockey und Eishockey ohne Eiskufen und Puck. Man spielt es mit einem durchlöcherten, hohlen Plastikball: Es ist die Sommer- und Hallenversion des außerhalb Skandinaviens ebenfalls reichlich unbekannten Bandy. Und eine Sportart, die auch Schwierigkeiten mit dem Namen hat. Innen- und Hallenbandy nennt man es in Skandinavien, in Mitteleuropa aber auch Innen- und Hallenhockey. Der internationale Verband hat sich den Namen „International Floorball Federation“ gegeben.
Soeben wurde in Schweden der erste Weltmeister ausgespielt: Er heißt nach einem 5:0-Finalerfolg über Finnland – Schweden. Was keine Überraschung ist. Vielmehr nahm damit am Sonntag in Stockholm alles sein geplantes Ende.
Es war schließlich der auch erst seit zehn Jahren existierende schwedische Hallenbandy-Verband gewesen, der weder Kosten noch Mühen gescheut hatte, eine weltmeisterschaftswürdige Teilnehmerzahl zusammenzukratzen, selbst wenn die zwölfte Mannschaft – die einzige nichteuropäische – aus Singapur herangeflogen werden mußte.
„Wir hatten mit 30 Journalisten gerechnet, am Ende sind glatt 110 gekommen“, freute sich Nisse Hakonsson aus dem WM-Organisationsbüro. Das Ereignis kam allenthalben an: Das Vorrunden-Spitzenspiel Schweden gegen Norwegen (9:2) etwa fand vor einer mit 825 ZuschauerInnen restlos ausverkauften Sporthalle von Skelleftea statt. Kein Zufall: Die nordschwedische Stadt ist ein Zentrum des Hallenbandys. Fünf Eishockeyvereine gibt es hier, aber über 50 Hallenbandyklubs – mehr als doppelt soviel wie Fußballvereine. Überhaupt ist Hallenbandy gerade dabei, landesweit Fußball als die Sportart mit den meisten Aktiven zu überholen.
Hallenbandy gilt als Sportart für Leute, die ein schnelles Mannschaftsspiel mit Platz für viele individuelle Spielzüge lieben, denen aber ihr vollständiges Gebiß und ihre heilen Knochen zu lieb sind, um das viel mehr Körpereinsatz fordernde Eishockey zu spielen. In Schweden eroberte das Spiel in den 70er Jahren die Schulhöfe. Es erforderte keine großen Investitionen, nur ein selbstgestaltetes Tor in Eishockeygröße, zunächst Holzschläger – mittlerweile sind es spezielle Plastikschläger mit ovaler Schaufel – plus einen Ball für 1,50 Mark.
Es hat einfache, dem Fußball ähnliche Spielregeln. Es kann auf kleinem Raum gespielt werden, und wegen des kleinen, gerade 23 Gramm leichten Plastikballs muß kein Hausmeister Angst um die Fenster haben und es verbieten. Ein Torhüter und fünf Feldakteure bilden ein Team. Es ist ein Sport, für den sich Jungen und Mädchen gleichermaßen begeistern. Heute ist das nach draußen verlegte Hallenbandy kaum aus schwedischen Schulhöfen wegzudenken.
Die ersten Schulhofenthusiasten waren es auch, die jetzt den Kern des WM-Teams bildeten. Es ist ein Spiel der Zwanzigjährigen. Leute, die die 30 überschritten haben, kennen es kaum. „Die ältere Generation hat es schwer, das zu lernen“, feixt der mit 30 gerade noch geduldete Nationaltrainer Krister Ahlquvist, „das ist etwas, was sie nicht kennen.“ 1982 wurde in Schweden so etwas wie die erste Meisterschaftsrunde ausgetragen: die Frauen waren den Männern ein Jahr voraus. Damals gab es 35 Teams, heute über 1.600. Die ersten EM-Titel im Hallenbandy holten Schwedens Männer (1994) und Frauen (1995).
Außerhalb Schwedens ist das Spiel bislang nur in Finnland groß, doch haben es mittlerweile auch die Schweiz und Norwegen zu Meisterschaftsrunden gebracht. Der von „Basel Magic“ angeworbene Jonas Eriksson war der erste schwedische „Legionär“; inzwischen spielen 21 Schweden und acht Schwedinnen in der Schweizer Hallenbandy-Liga.
Die WM sollte nun einen richtigen Durchbruch bringen. National durch den vorgeplanten WM-Titel – und auch international. Doch die Klassenunterschied blieben unübersehbar. Ergebnisse wie 30:0, 21:0 und 20:1 gegen die Mannschaft aus Singapur ließen Gedanken an eine B-Gruppe aufkommen. Ein Kandidat dafür sind auch die Deutschen, die auf Platz acht einkamen. Immerhin: Der deutsche Verband (etwa 2.000 Mitglieder) wurde erst 1992 gegründet, derzeit gibt es 22 Vereine.
Doch auch zwischen den Besten liegen Welten: Die Schweden gewannen ihr Halbfinale gegen Tschechien 13:0. Der „Floorball“- Verband gibt sich dennoch optimistisch: In zehn Jahren soll Hallenbandy sich in 30 bis 40 Ländern etabliert haben. Reinhard Wolff
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