Skandale schrecken Regierung auf: Große Koalition der Datenschützer
Die jüngsten Datenschutz-Skandale versetzen die Regierung in Aufregung. Dabei hatten Beck, Zypries und Schäuble im Juli versäumt, Adresshandel zu erschweren.
So viel Eintracht war selten in den Reihen der großen Koalition: Spitzenkräfte von SPD und Union wollen zügig nach Wegen suchen, wie man den illegalen Handel mit sensiblen Informationen eindämmen kann. SPD-Chef Kurt Beck fordert eine Generalrevision aller Datenschutzvorschriften, Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) plädiert für gezielte Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz, Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will sich mit Verbraucher- und Datenschützern in einem Expertengespräch beraten - sobald er von seiner Olympiareise zurück ist.
Die Hektik zeigt: Die jüngsten Missbrauchsskandale mit privaten Daten haben die Regierung aufgeschreckt. An allen Ecken und Enden Deutschlands tauchen seit Anfang letzter Woche CDs mit hunderttausenden Adressen und Kontoverbindungen auf, die illegal gehandelt und für rechtswidrige Abbuchungen benutzt wurden. Datenschützer gehen inzwischen davon aus, dass sich Adressen sämtlicher Bürger für Marketingzwecke und Verkaufsakquisen im Umlauf befinden.
Das Problem hat die große Koalition erkannt, unklar ist nur noch, an welcher Stellschraube in welchem Gesetz jetzt tatsächlich gedreht wird. Ein konkreter Vorschlag von Justizministerin Zypries liegt bereits auf dem Tisch: Sie will Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Mal wieder. Denn bereits Ende Juli hatte sich das Kabinett auf eine Novelle des Gesetzes geeinigt. Ziel war es damals, für mehr Transparenz des umstrittenen Scoring-Verfahrens zu sorgen. Damit prognostizieren Firmen die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden.
Die Bestimmungen zum Datenhandel blieben allerdings unangetastet. In Paragraf 28 des BDSG ist die Weitergabe von Daten zu Zwecken der Werbung geregelt. Verboten ist ein solcher Handel demnach nur, wenn der Kunde dem ausdrücklich widersprochen hat. Diese Bestimmung will die Justizministerin nun umkehren. Man müsse "ernsthaft prüfen", ob es nicht sinnvoller sei, wenn für die Übermittlung künftig eine Einwilligungserklärung vorliegen müsse. Zudem regte Zypries an, die Möglichkeit zu schaffen, den Betrügern die durch den Handel erzielten Gewinne wegzunehmen.
Ob das Gesetz tatsächlich noch einmal aufgeschnürt wird, ist fraglich. Das federführende Innenministerium zeigte sich am Mittwoch skeptisch. Dort hieß es, man wolle nach Lösungen suchen, die "wirklich helfen und nicht symbolisch sind". Es handele sich um ein "Problem im Bereich des privatrechtlichen Datenschutzes", falle also eigentlich unter die Hoheit der Länder. Ein Sprecher kündigte an, Minister Schäuble wolle über geeignete Schritte zunächst mit Experten diskutieren. Dazu sollten die Daten- und Verbraucherschützer der Länder sowie Vertreter anderer Bundesministerien eingeladen werden.
Auch SPD-Parteichef Kurt Beck schaltete sich am Mittwoch in die Debatte ein. Alle Datenschutzrichtlinien müssten auf den Prüfstand: "Das, was wir jetzt brockenweise erleben, ist nicht hinnehmbar", sagte Beck bei einer Werksbesichtigung in Jena. "Dass da ohne das Wissen von Personen mit Daten gehandelt wird und für Minipreise hunderttausende, wenn nicht Millionen Datensätze verkauft werden, geht so nicht."
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