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Skandal um "Nord-Süd-Dialog"Wulffs Nachfolger im Visier

Die aktuelle niedersächsische Regierung beteuert, nichts von dem umstrittenen "Nord-Süd-Dialog" gewusst zu haben. Eine Schutzbehauptung, meint die Opposition.

Wollen nichts gewusst haben: Niedersachsens Ministerpräsident McAllister und Finanzminister Möllring (beide CDU). Bild: dpa

BERLIN taz | Die CDU-geführte Landesregierung Niedersachsens ist alarmiert - und fürchtet, dass die Diskussion über die Rolle Christian Wulffs und seines Ex-Sprechers im sogenannten Nord-Süd-Dialog auch ihr selbst schadet. CDU-Finanzminister Hartmut Möllring forderte am Montag in einer Rundmail alle Ressorts zu einer internen Prüfung auf. Bis zum Dienstag, 24 Uhr, so die Anweisung des Ministers, müssten alle Ministerien schriftlich erklären, ob sie "in irgendeiner Art und Weise" an dem privat organisierten Wirtschaftstreffen beteiligt waren, sagte Möllrings Sprecher am Montag in Hannover.

Der Finanzminister - eines der wichtigsten Kabinettsmitglieder von Ministerpräsident David McAllister (CDU) - war in den vergangenen Tagen selbst unter Beschuss geraten. Er hatte am Donnerstag im Landtag behauptet, es habe keine finanzielle Beteiligung der Landesregierung am Nord-Süd-Dialog gegeben. Die Promis trafen sich erstmals 2007 in Hannover, die Veranstaltung wurde vom Eventmanager Manfred Schmidt organisiert. Es nahmen führende Köpfe aus Politik und Wirtschaft teil, auch Exministerpräsident Christian Wulff und seine Frau Bettina. Möllring wiederholte im Landtag eine Antwort, die Wulffs Staatskanzleichef Lothar Hagebölling 2010 auf eine SPD-Anfrage gegeben hatte: "Es gibt keine Beteiligung oder Finanzierung durch das Land."

Am Freitag stellte sich heraus, dass beide Aussagen falsch waren. Laut Medienberichten hatte das Landwirtschaftsministerium Kochbücher als Geschenke für die Gäste des Dialogs gesponsert. Ebenso hatte Wulffs Exsprecher Olaf Glaeseker bei der Medizinischen Hochschule - einem Landesbetrieb - Studierende als Hilfskräfte organisiert. Gegen Glaeseker ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Bestechlichkeit. Er wird verdächtigt, gratis bei Schmidt geurlaubt und dessen Veranstaltung gefällig gefördert zu haben.

Wusste nur Glaeseker Bescheid?

Möllring hatte am Freitag beteuert, von den Landesfinanzierungen nichts gewusst zu haben - er fühle sich von Glaeseker "beschissen". Die Opposition glaubt ihm nicht. "Diese Schutzbehauptung nehme ich Möllring nicht ab", sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel am Montag. Der Minister habe selbst behauptet, im Moment über eine Standleitung mit dem Bundespräsidialamt zu kommunizieren. Möllring hatte im Parlament am Donnerstag einen ungewöhnlichen Vorgang beschrieben: Er sei, sagte er vor den Abgeordneten, am 11. Januar im Bundespräsidialamt in Berlin gewesen, um sich mit Wulff "über die von Ihnen gestellten Fragen zu unterhalten".

Jetzt wundern sich Grüne und SPD nicht nur darüber, dass ein Landesminister sich vom Präsidenten für eine Landtagsbefragung briefen lässt. Wulff hatte auch, das ist bekannt, ein sehr enges Verhältnis zu Glaeseker. Und ausgerechnet der Wulff-Intimus soll den Nord-Süd-Dialog organisiert haben, ohne seinen Chef detailliert zu informieren? "Ich kann mir nicht vorstellen, dass nur die Person Glaeseker über den Dialog Bescheid wusste", sagte Wenzel.

SPD-Fraktionschef Stefan Schostock sagte: "Es stellt sich die Frage: Hat Herr Wulff Möllring nicht vollständig informiert - oder hat Herr Möllring das Parlament getäuscht?"

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4 Kommentare

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  • PS
    Peter Seifert

    Die Affäre um unseren Bundespräsidenten zeigt mit dem jüngst aufgedeckten Einsatz von Steuergeldern für die Lobbyveranstaltungen des Nord-Süd-Dialogs nicht nur die Selbstbedienungsmentalität von Volksvertretern.

     

    Wo kommen denn die in hohen Summen gespendeter Gelder von Eon, Thalanx und ENBW her? Aus der Privatschatulle der Vorstände? Nein, von unseren Beiträgen, die wir beim Stromkauf und beim Zahlen unserer Versicherungsbeiträge zu entrichten haben. Gänzlich zur Farce werden die im Fernsehen gezeigten Bilder der glamourösen Veranstaltungen, auf denen sich die Sternchen aus Politik, Wirtschaft und Sport bedienen ließen dann angesichts der neuesten Erklärung des EON-Konzerns in Deutschland aus Kostengründen in Zukunft 6000 Arbeitsplätze einzusparen.

     

    Der Unterschied zur „spätrömischen Dekadenz“ besteht eigentlich nur noch darin, dass „Brot und Spiele“ im Altertum hauptsächlich für das Volk gedacht waren und nicht für die Elite.

     

    Die Bemerkung über Friedrich den Großen, die Herr Wulff anlässlich der Feierlichkeiten zu dessen 300. Geburtstag gestern von sich gegeben hat: „Was sein Image betraf, kannte der Herrscher kein Pardon“ bekommt angesichts der aktuellen Ereignisse eine ganz neue Bedeutung.

  • D
    deviant

    Rein rechtlich kann es natürlich nur einen höchsten Mann im Staate geben, aber schon immer hat der Souverän eines Landes Gegenpäpste aufgestellt und sogar durchgesetzt, im letzten Jahr wurde Gegenpäpstin Rosa I ausgerufen, um gegen den Papst und die katholische Kirche zu protestieren, am Wochenende erst hat die taz einen Gegenkandidaten für den Posten des DFB-Präsidenten aufgestellt, um gegen deren monarchistische Strukturen zu protestieren.

     

    Vermutlich bräuchte es nur ein paar clevere Journalisten und einflussreiche Blogger, sowie einen, der geeignet, geachtet und gewollt ist (Georg Schramm!), um auf breiter Front einen Gegenpräsidenten auszurufen, der dann, natürlich ohne formaljuristische Legitimation, als dieser agiert.

     

    Das wäre in jeder Hinsicht spannend und aussergewöhnlich: Ein Erfolg würde vielleicht eine Direktwahl des Präsidenten einläuten, es wäre ein basisdemokratisches Fanal gegen die Politiker- und Parteienverdrossenheit in diesem Land und ein schwerer Schlag gegen die timokratische Plutokratie der deutschen Parteiendiktatur.

  • JK
    Juergen K.

    Kleine Anfrage an die Bundesregierung:

     

    Kann einfach noch ein Bundespräsident gewählt werden, oder

     

    Kann es nur einen geben ?

  • D
    deviant

    Jetzt können wir doch aber endlich mal mit der Hetzjagd auf den armen Christian Wulff (Lebensmotto: "corruptus in extremis") aufhören...wo wir doch heut erfahren haben, dass die Sozialdemokraten von Der Linken, die sich einfach nicht kaufen lassen wollen, das wahre Problem sind!