■ Sitzen für Olympia: Der Glasbruch als Verbrechen
Gestern erst ist in Berlin wieder ein Schwarzer von Skins niedergestochen worden. Nun stelle man sich folgendes vor: Der Staatsschutz bildet sofort eine Sondergruppe rassistische Verbrechen; er sucht per Fahndungsfotos und Fernsehen nach den Tätern; er ruft die Bevölkerung zur Mithilfe auf, während die Politiker vor den Konsequenzen weiterer Übergriffe auf Menschen warnen; tatsächlich werden drei Täter festgenommen und in die Untersuchungshaft verbracht; wegen der Schwere des Delikts verbaut die Staatsanwaltschaft jede Möglichkeit der Haftentlassung und räumt der Vorbereitung des Prozesses jede Priorität ein; und wirklich beginnt dieser schon wenige Tage später.
Tatsächlich ist all das passiert. Nur handelte es sich nicht um harmlose Skins, sondern um die derzeit offenbar gefährlichste Sorte politisch motivierter Straftäter: um Olympiagegner. Auch kamen bei der Tat, der sie beschuldigt werden, keine Menschen zu Schaden, sondern die Scheiben von Bankfilialen. Und das ist bekanntlich viel schlimmer, denn diese dienen ja zum Schutze deutschen Eigentums – was man von Ausländern nicht behaupten kann.
Hier endlich zeigt der Staat seine Muskeln: Die mutmaßlichen Täter werden mit allen Mitteln in der Haft behalten und – den vielen beredten Klagen über die Überlastung der Justiz und den normalen Wartezeiten von Monaten oder gar Jahren zum Trotze – bereits zwei Wochen später der Aburteilung zugeführt. Das Motiv der Abschreckung ist überdeutlich, zumal keiner der Angeklagten für das vergleichsweise geringfügige Delikt der Sachbeschädigung eine Haftstrafe zu erwarten hat. Man sollte sich diese Lektion, wozu unsere markigen Strafverfolger im Ernstfall in der Lage sind, sehr gut merken. Als staatlich gestempeltes Eingeständnis der Doppelmoral. Ute Scheub
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