Videodreh im U-Bahnhof : Sinnloser Aktionismus
Die Einsicht ist mehr als banal: Keine Kamera der Welt hält einen psychisch kranken Menschen davon ab, nach den Regeln seiner eigenen Welt zu agieren. Ebenso wenig übrigens ein Sicherheitsbeamter, der am anderen Ende des Bahnsteigs patrouilliert. Die seltenen Fälle von U-Bahn-Schubsern taugen nicht im Geringsten als Aufhänger für eine Sicherheitsdebatte im Nahverkehr. Das wissen alle Beteiligten. Auch die CDU. Dass sie dennoch die Gelegenheit nutzt, ist nichts anderes als sinnloser Aktionismus – und im politischen Geschäft leider alltäglich.
KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE
Vor U-Bahn-Schubsern schützt nicht die Kamera, sondern nur eines – die Ansage „Zurückbleiben, bitte!“ wörtlich zu nehmen. Allen Hinweisen auf die gefühlte Sicherheit der Menschen zum Trotz: Es macht das Leben des Einzelnen eben keinen Deut sicherer, in jede Ecke eine Kamera zu schrauben. Es macht sein Leben aber durchsichtiger und berechenbarer – für Firmen, den Staat oder andere Organisationen mit Eigeninteresse.
Wer mag sich schon gerne von BVG-Mitarbeitern beim Zeitunglesen über die Schulter gucken lassen? Oder als belustigendes, in der Nase popelndes Beobachtungsobjekt dienen, weil es in der Leitstelle gerade langweilig ist? Solche Überlegungen sind natürlich angesichts des zu erwartenden Datenwustes unrealistisch. Doch davon abgesehen gilt: Fragwürdige Sicherheitsargumente müssen hinter dem schutzwürdigen Recht auf Privatheit zurückstehen. Auch wenn sie der Polizei ab und an einen Ermittlungsvorteil verschaffen.
Nur für eines – das sei fairerweise zugestanden – wäre eine hochgerüstete Rund-um-die-Uhr-Überwachung gut gewesen: Sollte sich der jüngste Schubs-Fall tatsächlich als Ente entpuppen, hätten das hochauflösende Kameras zweifelsfrei belegt.