: Singende Deutschlehrer
■ GEW reagiert aktionsbereit auf Verlängerung der Arbeitszeit/ Keine unbezahlte Mehrarbeit mehr
Berlin. Berlins Schüler und Schülerinnen können sich über Schulstreß bald nicht mehr beschweren. Ab dem kommenden Schuljahr werden ihre Lehrer Konferenzen in der Unterrichtszeit abhalten, nicht mehr ständig Klassenlisten und Statistiken anfertigen und weniger Klassenarbeiten als vorgesehen schreiben.
So sieht die kampfeslustige Antwort der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) über die vom Abgeordnetenhaus verhängte Arbeitszeitverlängerung für LehrerInnen aus. Unbezahlte Mehrarbeit werde es künftig an Berliner Schulen nicht mehr geben, kündigte GEW-Vorsitzender Erhard Laube gestern an. »Wir fordern auf, jede Stunde mehr von Anfang an zu verweigern.« An einem Aufruf zum Boykott von Klassenfahrten werde sich die GEW allerdings nicht beteiligen. »Wir wollen keine Zurück-zur-Kreide-Pädagogik.«
Oberstes Ziel der Lehrergewerkschaft bleibe die vollständige Rücknahme der Arbeitszeitverlängerung, so Laube. Da diese aber vermutlich nicht binnen weniger Monate zu erreichen sei, solle nun zunächst die Pflichtstundenzahl der angestellten Lehrer in Ost und West tariflich geregelt werden. Nach einer entsprechenden »tariflichen Initiative«, so Laube, seien auch 4.000 angestellte LehrerInnen im Westteil streikberechtigt. »Dann können wir zu stärkeren Aktionen greifen«.
Ferner fordert die GEW, auch KlassenleiterInnen in der Eingangsstufe und in der elften Klasse sowie TutorInnen in Gesamtschulen von der Arbeitszeitverlängerung auszunehmen.
Nach Angaben der GEW droht 200 von 800 befristet beschäftigten Lehrkräften im Westteil durch die Arbeitszeitverlängerung die Arbeitslosigkeit. Um diese Arbeitsplätze zu sichern, sollen Neueinstellungen erst vorgenommen werden, wenn die befristeten Verträge verlängert wurden. Eine derartige Aufforderung sandte die GEW an ihre Personalräte. Eine innerbezirkliche Umschichtung der FachlehrerInnen sei durchaus machbar, so Laube. Und: »Notfalls müssen die Schüler eben mal mit dem Deutschlehrer singen.«
Als »Auftakt für weitere Aktivitäten gegen pädagogische Verschlechterungen« will die GEW im Herbst in Berlin einen Aktionstag veranstalten. Dort soll auch erneut darauf hingewiesen werden, daß angesichts 48.000 zusätzlicher SchülerInnen bis 1995 ein Schulneubauprogramm ebenso vonnöten ist wie der Ausbau mobiler Klassenräume. jgo
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