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Sind Westfrauen unspontan?

■ Diskurs zur Selbstsicherheit/ Ein Ostmann über die Westfrau

Die Westfrau ist nicht etwa emanzipierter, lediglich selbstbewußter als ihr östliches Pendant. Und doch erscheint gerade diese Erkenntnis nutzbar im Umgang mit der Spezies, der sich in der Praxis aber schwieriger erweist als erwartet. So ist der Vorsprung in den 28 Jahren der gewaltsamen Trennung der deutschen Frauenbewegung gerade auf kommunikativer Ebene mittels Telefon weit vorangeschritten, und teilweise kann der Gedanke aufkommen, daß ohne diese glorreiche Erfindung ein spontanes Zusammentreffen zweier Menschen fast ausgeschlossen wird. Sollte dieses Moment jedoch unerwartet und ohne Zutun des aufgeführten Hilfsmittels eintreten, wird Unsicherheit spürbar, die durch alsbaldige Verabschiedung schnellstmöglich überwunden wird. Natürlich läßt sich die Westfrau davon nichts anmerken, und nur das geübte Auge nimmt die vehementen Gesichtsbewegungen hinter dem sorgfältig aufgetragenen Make-up wahr. Überhaupt scheint Spontaneität kaum Sache dieser Frauen zu sein, zumal damit jegliche Chance der Vorbereitung genommen wird, die wohl nicht nur für die Bearbeitung des äußeren Bildes notwendig ist.

Während es in der eher grauen DDR-Herde wenige äußere Differenzen der Generationen gibt, scheint im Westen jedes Alter einen Modefeldzug gegen Vorhergehendes zu unternehmen und es dem Älteren in der Kenntlichmachung ihres Konformismus heimzuzahlen. Zu keiner Akzeptanz bereit, schwingt frau sich auf kühnste Modeebenen. Was die Frau in der Midlife-crisis noch durch tollkühne Farben zum Ausdruck bringen will, übertrifft die Tochter mit gewagten Formen und diversem Schmuck und ähnlich geartetem Zubehör. Die Teenagerin ist bemüht, diese Problematik mit Quantität an verbrauchtem (Jeans-) Stoff, Schmuck und Schminke anzugehen. Aber alle vereint der dringende Wunsch, nur nicht in der Menge unterzugehen. Sowieso neigt die Westfrau stark dazu, sich produzieren zu müssen und damit zumindest partiell abzuheben. Vielleicht ist mit diesem Verhalten auch das uns DDR-Bürgern ständig propagierte Modell der Ellenbogengesellschaft gemeint, und unsere Ex-Ideologen pflegten sich nur zu unpräzise auszudrücken.

Die Westfrau ist recht groß! — dies scheint an den Unmengen Südfrüchten und den darin enthaltenen Aufbaustoffen zu liegen, die im Rahmen diverser Ökodiäten verspeist werden müssen. Durch die reichhaltige Zufuhr an Vitaminen ist auch ihr Teint positiv beeinflußt und die Zahl an Mitessern und Pickeln verschwindend gering. Permanente Fleischesserinnen gleichen dieses Manko mit Puder aus. Die komplizierteste Frage scheint jedoch: Wo schließt die Westfrau neue Kontakte? Im Alltag gibt sie sich cool, und so verbleiben nur geringfügige Reserven für die Aufnahme von Reizen, die nicht selbst produziert werden. Keinesfalls darf diese Hoffnung mit Introversion verwechselt werden, vielmehr scheint das ständige Sich-produzieren-Müssen eine Sperre errichtet zu haben, die nur bei langfristiger Beschäftigung gebrochen werden kann. Und diese Möglichkeit bietet sich in erster Linie in Schule, Betrieb, Universität und selbstverwaltetem Projekt bzw. dem Bemühen, diesen Kontakt auszubauen (dazu eignen sich Urlaube in unbesiedelten Landstrichen, zum Beispiel Grönland). Damit stehen die Ostmänner natürlich wieder einmal vor der Tür, denn wer kann sich einen Urlaub in Grönland schon leisten und dann womöglich auch noch für zwei Personen bezahlen ... Martin Kammer

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