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Sind Sie glücklich?„Früher war Berlin mein Zuhause“

■ 11 Uhr Wittenbergplatz. Seit der Wende überlegt die fliegende Händlerin Eumorfia Nitschke, ob sie nicht besser nach Griechenland zurückkehren soll

Bei der Frage kommen die meisten Menschen ins Grübeln: „Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich fortan täglich um 11 Uhr abwechselnd am Alexanderplatz und am Wittenbergplatz um. Gestern war der Wittenbergplatz dran. Heute stehen wir auf dem Alex. Das Ergebnis lesen Sie am jeweils folgenden Tag an dieser Stelle.

Die 50jährige Blumenverkäuferin Eumorfia Nitschke: Ich war mal glücklich. Aber seit der Maueröffnung ist es vorbei. Bei uns Ausländern sind die Ängste sehr groß geworden, weil uns ständig schlimme Dinge passieren. Wir werden sehr oft bedroht, auch von Westberlinern der älteren Generation. Früher war Berlin mein Zuhause. Ich bin Griechin. Wenn ich im Urlaub nach Griechenland gefahren bin, hatte ich meistens schon nach einer Woche Heimweh nach Berlin. Seit der Maueröffnung frage ich mich oft, ob ich hierbleiben soll. Ich wohne in Wilmersdorf, wo die CDU regiert. Dort habe ich schon oft zu hören bekommen: „Bald wirst du was erleben.“ Das macht angst.

Ich bin als 18jähriges Mädchen als Gastarbeiterin nach Berlin gekommen. Man mußte so gesund sein wie ein junger Bär, sonst wurde man nicht genommen. Bei Siemens habe ich am Fließband im Akkord Telefone montiert. Das Leben lag vor mir, und die Welt war einfach schön. Im Alter plagen mich zunehmend Sorgen. „O Gott, wie komme ich in Griechenland nur zurecht?“ frage ich mich immer wieder. Ich verkaufe ab und zu Blumen, weil die Rente meines verstorbenen Mannes nicht mehr für meinen zehnjährigen Jungen und mich ausreicht. Die Blumen sammle ich selbst. Aber die Konkurrenz ist groß, (deutet auf eine Blumenhändlerin auf der anderen Seite des Platzes). Die Frau aus dem Osten da drüben hat mir gerade eben Schläge angedroht, wenn ich nicht sofort einpacke und verschwinde. Plutonia Plarre

wird fortgesetzt

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