Sind Sie glücklich?: „Neid ist das Schlimmste auf der Welt!“
■ 11 Uhr Alexanderplatz. Klaus Graack ist von Natur aus glücklich. Seine Partnerschaft hält ihn aufrecht, obwohl er seit zwei Jahren arbeitslos ist
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und dem Alexanderplatz um.
Der 59jährige Arbeitslose Klaus Graack: Ja, ich bin glücklich, weil ich in einer guten Partnerschaft lebe und von Natur aus ein optimistischer Mensch bin. Seit zwei Jahren bin ich arbeitslos und war vorher Maskenbildner und Friseur. Glück, glaube ich, kommt von innen. Wenn man damit anfängt, sich über alles zu ärgern, geht man zugrunde. Und in dieser Gesellschaftsordnung geht man sowieso zugrunde. Der Reiche wird reicher, und der Arme wird ärmer. Wenn man sich danicht in seinem Inneren Ruhepunkte gönnt, sei es durch Musik, oder Literatur. Ich mach' mir das Leben eben mit wenigen Dingen schön. Das ist vielleicht auch ein Standpunkt, daß man von Geburt an das Glück mitgekriegt hat, daß man nicht undankbar ist und unzufrieden. Denn Neid ist ja das Schlimmste auf der Welt.
Unglück gibt es allerdings auch sehr oft. Ich kriege ein niedriges Arbeitslosengeld von 670 Mark und habe ein Leben lang gearbeitet. Dann, als die Wende kam, habe ich schon gewußt, daß das nicht gut geht. Es waren schon viele Glücksmomente da, ich wollte ja die DDR auch nicht wiederhaben. Aber euphorisch war ich nie. Ich komme aus dem Ostteil, habe damals sehr gute Arbeit im Metropol Theater gehabt. Da gab es keine Sorgen, daß man jemals die Arbeit verliert. Und dann die Miete: Ich bezahlte damals 25,80 Mark, jetzt bezahle ich 400 Mark für eine 30-m2-Wohnung. Das ist ein reiner Wahnsinn. Das sind die Dinge, wo man unglücklich ist. Oder wenn im Bekanntenkreis jemand an Krebs erkrankt, wie eine Kollegin, die vor 14 Tagen beerdigt wurde. Aber im Grunde bin ich schon zufrieden. Da müßte es schon ganz hart kommen, daß man wirklich am Boden ist. Corinna Budras
Am Sonntag stehen wir auf dem Wittenbergplatz.
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