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■ Sind Militäreinsätze bei Völkermord gerechtfertigt?Ignatz Bubis / Walter Jens / Uta Ranke-Heinemann / Jens Reich / Klaus Vack / Jutta Oesterle-Schwerin

Aus meiner Sicht absolut ja. Ich habe das sogar schon vor Srebrenica vertreten. Besonders seit Srebrenica ist das noch offensichtlicher. Es ist leider so, daß ohne einen Einsatz das Morden dort weitergehen wird.

Ignatz Bubis ist Vorsitzender des Zentralrates der Juden

Entschiedene polizeiliche Maßnahmen unter UNO- Hoheit zum Schutz des ohne Hilfe von außen bedrohten Lebens und zur Sicherung einer durch brutale ethnische Säuberungs-Aktionen der Erledigung anheimgegebenen humanen Existenz: ja.

Militärische Eingriffe unter dem Kommando der Nato, die rasch zu Golfkrieg- Zuständen führen könnten, deren Folgen zumal für die Kinder und Armen bis heute nicht behoben sind: nein.

Walter Jens ist Präsident der Akademie der Künste

Man hat immer Argumente gefunden, zu schießen und zu töten, man hat sich immer ein moralisches Mäntelchen umgehängt, wenn es um militärische Einsätze ging, und mit dem Begriff „Völkermord“ meint man jetzt das endgültige Argument gefunden zu haben. Aber das erste Mittel, das kriegerische Morden zu beenden, ist nicht, einen neuen Krieg zu rechtfertigen, sondern allen Krieg radikal und in jedem Fall zu ächten. Krieg gegen Krieg, Völkermord gegen Völkermord, das ist eine Homöopathie, die noch nie Besserung bewirkt hat.

Uta Ranke-Heinemann ist katholische Theologin

So eingegrenzt gefragt: ja! In Ruanda hätte es zum Beispiel eines rechtzeitigen Eingriffs (mit Militärgewalt als letztem Mittel) bedurft.

Das große Problem dabei ist: Wie ist ein solcher Einsatz ohne sofortigen Rückfall zu beenden?

Prof. Dr. Jens Reich ist Molekularbiologe und ehemaliger unabhängiger Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten

Nein! Zum einen kann ich, selbst im Zusammenhang mit dem schrecklichen Krieg in Bosnien, den Begriff „Völkermord“ nicht akzeptieren. Völkermord verbinde ich mit Auschwitz. Zum anderen ist meine oder Herrn Fischers Meinung nicht ausschlaggebend.

Die Oberen der sogenannten Staatengemeinschaft entscheiden und handeln nach ihren innenpolitischen Opportunitäten und nach ihren eigenen außenpolitischen, militärpolitischen und wirtschaftspolitischen Machtinteressen.

Die Opfer des Krieges in Bosnien stehen da erst an vierter oder fünfter Stelle.

Klaus Vack ist Koordinator des Komitees für Grundrechte und Demokratie für humanitäre, friedenspolitische und menschenrechtliche Hilfe im ehemaligen Jugoslawien

Wir haben – aus Verzweiflung und Ratlosigkeit – nicht demonstriert gegen den Nato-Einsatz in Bosnien, ebensowenig wie PazifistInnen 1944 gegen die Landung in der Normandie protestiert haben.

Daraus aber jetzt den Schluß zu ziehen, Militär muß sein, hieße, aus dem Kakao, durch den sie uns ziehen, auch noch zu trinken.

Jutta Oesterle-Schwerin ist Mitfrau in der Bundessprecherinnenrunde der Feministischen Partei

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