: „Sigurimi“ heißt die Stasi in Albanien
■ Die Witwe Hodschas leitet die „Bluthunde des Regimes“ / Politiker zittern vor der Geheimpolizei
Tirana (dpa/taz) - Folter, Mißhandlungen und Morde werden dem albanischen Staatssicherheitsdienst Sigurimi seit langem vorgeworfen. Sogar das „Verschwindenlassen“ mißliebiger Personen sei Methode, und nur mit Mühe könnten die Sigurimi -Leute im Zaum gehalten werden, hieß es in Kreisen, die ausnahmslos anonym bleiben wollen. Zwar hatten alle früheren Ostblockländer ihren Staatssicherheitsdienst. Ob Stasi in der DDR oder Securitate in Rumänien, sie waren gefürchtet und lähmten die Gesellschaft in vielen Bereichen. Die letzte und brutalste Spielart aber ist die „Sigurimi“, für die Gestapo-Methoden auf der Tagesordnung stehen.
Ein rücksichtsloser Sicherheitsapparat zum Erhalt des jeweiligen Status Quo hat in dem seit 1912 unabhängigen Balkanland Tradition.
Zuerst waren es die türkischen Geheimdienste, die das Land kontrollierten, später in den 20er und 30er Jahren die Häscher des selbsternannten Königs Zogu, der politische Gegner reihenweise aus dem Feld räumen ließ. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Befreiung von italienischer und deutscher Besetzung (und damit der Willkürherrschaft ihrer jeweiligen Geheimdienste) bediente sich auch der stalinistisch orientierte KP-Chef Enver Hodscha der Geheimpolizei, um zuerst die als faschistisch und der Kollaboration mit den Besatzern bezichtigten „Verräter“ zu „vernichten“ und später möglichst alles religiöse Gedankengut aus dem Bewußtsein des Volkes zu tilgen.
Hodschas Nachfolger Ramiz Alia erbte nur die Ämter des Staats- und Parteichefs, nicht aber die Oberaufsicht über die „Bluthunde des Regimes“, wie sie vom verängstigten Volk genannt werden. Die Oberaufsicht über die Sigurimi erhielt die jetzt 65jährige Nedschmije Hodscha, die Witwe des 1985 verstorbenen „Führers der Nation“.
Zusammen mit dem berüchtigten Innenminister Simon Stefani und dem „Chefkommandanten“ Veri Koci übt die „Rote Witwe“, wie sie im Volksmund genannt wird, jene Gewaltherrschaft aus, vor der selbst hochrangige Politiker und bekannte Künstler zittern. Jedes Ausplaudern von „Staatsgeheimnissen“ bedeutet das Todesurteil, ein Skandal wäre für die Regierung etwas Unvorstellbares. Selbst die intellektuelle Elite des Landes müsse in diesem Gruselszenario seit über sechzig Jahren gute Miene zum bösen Spiel machen, klagen viele Albaner. So bekannte Autoren wie Ismail Kadare stünden mit ihrer materiellen Sicherheit im Ausland bereits über den Dingen und hielten sich diskret zurück. Kein Wunder, daß es weit und breit keine gesammelte Opposition gebe und auch sobald nicht geben werde, da das ganze System korrumpiert sei und jeder Nichtkommunist als „Verräter an der albanischen Nation“ gebrandmarkt werde, sagen Regimekritiker.
So wird auch der Grund für die zahlreichen Fluchtversuche über die Landesgrenzen und in die ausländischen Botschaften ersichtlich. Die albanische Regierung behauptet zwar ständig, jedem Staatsbürger über 16 Jahre werde ein Reisepaß ausgestellt. In der Tat suchen jedoch lediglich ältere und privilegierte Personen um Reisepapiere nach. Mit diesen Pässen können sie seit Dienstag früh die Visa direkt bei den ausländischen Botschaften beantragen, was bis dahin nur über das Außenministerium möglich war.
Junge Leute in Albanien mißtrauen allerdings den Versprechungen der offiziellen Stellen und lassen es gar nicht erst auf einen Versuch ankommen. Noch vor einem Monat, also nach der Ankündigung der Reisefreiheit, so wird berichtet, wurde ein Student wegen eines Paßantrages in der Behörde brutal zusammengeschlagen, weil er angab, im Ausland arbeiten zu wollen.
Beobachter konnten sich seit Dienstag früh selbst bei den Botschaften versichern, daß sich ausnahmslos ältere Leute um ein Visum bemühen. Sowohl die jugoslawische als auch die türkische Botschaft haben seitdem täglich einige hundert Anträge zu erledigen.
Am Abend der Demonstration vom 2. Juli sei die Spezialeinheit Sampista eingesetzt worden, die auf Karate und Judo spezialisiert sei und angeblich genau wisse, wie man Regimegegner „behandelt“. „Sie tun es für gutes Geld und Essen“, sagt ein 21jähriger Student.
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