: „Sie wollen Nannies auf Dauer“
Antrag zur Qualifizierung von Sozialhilfeempfängerinnen führte zu heftiger Debatte in der Bürgerschaft: Senat wolle mit 20 Tagesmüttern das Kita-Chaos mildern, spottet SPD
Der Antrag klang nett. Er wolle aus „vermeintlichen Schwächen Stärken entwickeln“, und allein erziehenden Sozialhilfeempfängerinnen ein „zusätzliches Standbein verschaffen“, erklärte der Schill-Abgeordnete Stephan Müller gestern in der Bürgerschaft. Deshalb sollten zunächst in einem Modellprojekt 20 Sozialhilfeempfängerinnen zu Tagesmüttern qualifiziert werden.
Doch es war, zwei Tage nach der Kita-Kapitulation des Senats, der falsche Antrag zum richtigen Zeitpunkt. „Die Stadt diskutiert darüber, dass 10.000 Kita-Plätze fehlen, und der Senat bietet 20 Tagesmütter“, höhnte SPD-Politiker Thomas Böwer. Am Montag erst habe der Senat versucht, das Problem zu lösen. Böwer: „Und was ist ihm eingefallen? Wir gründen eine Arbeitsgruppe. Das ist zu wenig.“ Würde dem Senat das Schicksal der Alleinerziehenden wirklich am Herzen liegen, hätte er eine andere Lösung gefunden.
„Sie wollen die Frauen weiter am Gängelband der Sozialhilfe halten. Wir geben ihnen eine Chance zur Qualifikation“, hielt Bettina Pawlowski (CDU) dagegen. Musste sich aber gleich darauf von GALiern Dorothee Freudenberg belehren lassen, dass es für Sozialhilfeempfängerinnen die Chance, als Tagesmutter zu arbeiten, längst gibt. Gemäß einer noch aus rot-grünen Zeiten stammenden Weisung könnten diese als Tagesmutter arbeiten, ohne dass es mit der Sozialhilfe verrechnet wird, erklärte Sozialexpertin Freudenberg. Dies sei aber bewusst auf Frauen mit Kinder von unter drei Jahren beschränkt.
Denn der Job als Tagesmutter „ist keine Dauerbeschäftigung“, befand die Grüne: „Was sie hier wollen, ist eine Nanni auf Dauer. Das ist doch Käse.“ Tagesmutter sei zudem kein Ersatz für einen Platz in der Kita, die auch einen Bildungsauftrag habe: „Sie muss auf die Schule vorbereiten. Das kann die Tagesmutter nicht.“
Ein Satz, der den FDP-Politiker Wieland Schinnenburg zu dem Vorwurf verleitete, hier würden Tagesmütter diffamiert. Auch wenn mancher Hemmungen habe, sein Kind Sozialhilfeempfängerinnen „anzuvertrauen“, seien diese „auch Menschen“. Zudem könne „auf Dauer jede Mutter ihre Kinder gut erziehen. Das ist Realität.“ In dieser Frage herrschte allerdings Uneinigkeit unter den Regierungsfraktionen. Denn CDU-Politiker Marcus Weinberg räumte ein: „Tagesmutter ist kein Kita-Ersatz. Das ist richtig.“
GAL-Politikerin Sabine Steffen rückte dann noch einmal die Di-mensionen zurecht. Eine Tages-mutter verdiene in der tiefsten Staffel 43 Euro pro Monat und Kind. Was niemals reiche, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Außerdem sei es Folge des akuten Kita-Gutscheinstopps, dass nicht mal mehr Menschen, die sich aus der Sozialhilfe lösen, einen Platz bekämen.
Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) verfolgte die Debatte stumm. KAIJA KUTTER