piwik no script img

„Sie verbrannten sein ganzes Gesicht“

■ Grausamkeiten sind in Namibia an der Tagesordnung / taz-Interview mit dem Ovambo-Politiker Oswald Shivute

Im Norden Namibias, in Ovamboland kann die südafrikanische Armee noch immer willkürlich Menschen mißhandeln, erschießen oder mit schweren Militärlastern nachts in ihren Hütten überrollen, ohne daß das größeres Aufsehen erregt. Oswald Shivute sammelt im Auftrag der von Südafrika unabhängigen Verwaltung der Ovambo-Provinz systematisch Informationen über Armee-Ausschreitungen.

taz: Terrorisiert die südafrikanische Armee die Zivilbevölkerung im Ovamboland?

Shivute: Wir haben 697 Übergriffe in den letzten sechs Jahren gezählt. Am häufigsten sind Vergewaltigungen, Mord und die Zerstörung von Eigentum.

Wie sieht das im Einzelfall aus?

Da gab es den Fall des 15jährigen Schülers Portus Blasius aus Ombalantu. Es war am frühen Morgen, er kam vom Haus seiner Eltern, nahe der katholischen Mission Anna Mulenge. Dort gab es einige kleine Läden, er wollte einzukaufen. Es kam so ein großer Lastwagen der Armee. Die Soldaten fragten den Jungen woher er komme. Und dann fragten sie : Hast du SWAPO-Leute gesehen? Und der Junge antwortete: Nein. Sie sagten: Du bist ein Lügner, komm her. Einer packte ihn am Hals, ein anderer am Rücken und dann schubsten sie ihn zum Auspuff des Militärlasters - mit dem Gesicht an die Öffnung. Einer ließ den Motor an, dann gab er im Leerlauf Gas. Sie verbrannten das ganze Gesicht des Jungen. Sie wiederholten das mehrmals, ich glaube dreimal. Dann ließen sie ihn einfach liegen und fuhren davon.

In vielen Fällen stützen sich südafrikanische Soldaten auf das Ausgangssperre-Gesetz. Was besagt dieses Gesetz?

Nach diesem Gesetz hat sich jeder nach Sonnenuntergang in seinem Haus aufzuhalten.

Darf die Armee einfach drauflosschießen?

Im Gesetz heißt es, daß die Armee oder die Polizei zuerst einen Warnschuß abgeben muß, aber wir kennen viele Fälle, in denen Menschen erschossen oder angeschossen und schwer verletzt wurden. Niemand, der einen solchen Zwischenfall miterlebte, berichtete von einem Warnschuß. Und dann gibt es noch ein anderes Problem. Es heißt, daß man bis 30 Minuten nach und 30 Minuten vor Sonnenaufgang draußen sein darf. Aber oft wurden Menschen innerhalb dieser 30 Minuten erschossen.

Können Sie einen konkreten Fall nennen?

Erst vor wenigen Wochen verlor eine 25jährige Studentin ihr Leben, als sie ihre Familie im Ovamboland besuchte. Sie war auf einem Fahrrad innerhalb jener 30 Minuten nach Sonnenuntergang. Es wurde kein Warnschuß abgegeben, es wurde sofort auf sie geschossen, sie war aber nicht tot. Sie bat die Männer, sie ins Krankenhaus zu bringen, aber diese weigerten sich. Sie verlor sehr viel Blut, und dann um 2 Uhr nachts starb sie.

Wie erklären Sie diese extreme Brutalität?

Ich denke, das geschieht, weil sich Südafrika vor der SWAPO fürchtet. Die wollen die SWAPO hier nicht als Regierung haben. Und dann versuchen sie, uns das Gefühl zu geben, wir seien nichts. Es geht ihnen darum, uns zu unterdrücken, uns fühlen zu lassen, daß wir vor ihnen immer auf den Knien zu liegen haben.

Interview: John Molteno

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen